Staycation :
Das soll Berlin sein?

Lesezeit: 6 Min.
Walter Leistikow (1865–1908) konnte so malen, dass Berlin nicht wie Berlin, sondern ein bisschen nach Frankreich aussah: hier sein “Grunewaldsee”, 1902.
Einberufung zu Sommerfrischemanövern: Die Bewohner der Hauptstadt fuhren schon immer gern weg – und versuchten gleichzeitig, Berlin wie Paris oder die Karibik aussehen zu lassen. Eine literarische Spurensuche über die Kunst, die Ferne zuhause zu finden

Seit es Berlin gibt, will die Stadt etwas anderes sein, als sie ist. Die Museumsinsel sollte wie das antike Athen sein, der Kurfürstendamm sollte pariserischer als Paris aussehen, der Potsdamer Platz wie Chicago werden. Vielleicht erklärt dieser sehnsüchtige Blick nach außen auch die Reisefreude der Berliner: Keiner will so gern weg wie der Berliner, stellten schon die großen Schriftsteller des Kaiserreichs und der Weimarer Republik fest. Der Essayist Siegfried Kracauer schreibt im Sommer 1930, das Reiseverhalten der Berliner habe fast etwas Militärisches: „Der Asphalt glüht, und die Reisezeit rückt bedrohlich näher. Man reist hier nicht; man muss reisen.“ Und die Berliner brechen massenhaft auf: Man werde zu Ferienbeginn die „Empfindung nicht los“, schreibt Kracauer, „dass das Reisen weniger ein privates Vergnügen als ein allgemeines Massenaufgebot ist.“ Die Massen würden „einfach aus den Berufen geholt und zu den Sommerfrischemanövern einberufen“.

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