Thermo-Anzug mit Klimaanlage

Module aus Solarzellen und elektrokalorischen Folien können den Körper sowohl kühlen als auch wärmen
Die Entwickler des Klimafolie: Yongsheng Liu, Yongsheng Chen, Ziyuan Wang, Yiwen Bo, Rujun Ma.
Die Entwickler des Klimafolie: Yongsheng Liu, Yongsheng Chen, Ziyuan Wang, Yiwen Bo, Rujun Ma.
© Y. Chen et al., Nankai University
Tianjin (China) - Der Mensch fühlt sich bei Temperaturen zwischen 22 und 28 Grad wohl in seiner Haut. Dieses Ziel erreicht er mit luftigen T-Shirts im Sommer und warmen Pullovern im Winter. Nun entwickelten chinesische Forschende einen Klimaanzug, der sowohl bei Kälte wärmt als auch bei Hitze kühlt. Möglich wird dies durch spezielle Module, die flexible Solarzellen und Folien aus einem elektrokalorischen Material geschickt miteinander kombinieren. Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Science“ berichten, könnten diese Module für Weltraumanzüge oder für funktionelle Kleidung auf Antarktis-Expeditionen genutzt werden.

Yongsheng Chen von der Nankai University in Tianjin uns sein Team fertigten flache und biegsame Module von der Größe kleiner Notizzettel. Die Oberseite bestand aus einer Perowskit-Solarzelle mit einem Wirkungsgrad von knapp 13 Prozent. Diese lieferte genug Strom für den Betrieb der darunter liegenden aktiven Schichten aus einem Polymer auf der Basis von Polyvinylidenfluorid. Dieses teilkristalline Fluorpolymer zeigt elektrokalorische Eigenschaften: Liegt eine elektrische Spannung an, erwärmt es sich. Wird die Spannung abgeschaltet, kühlt es sich wieder ab. Verantwortlich dafür sind wahrscheinlich Änderungen der Kristallstruktur in den Polymerschichten.

Für eine effiziente Kühlung oder Erwärmung sind schnelle Wechsel zwischen den beiden Materialphasen mit jeweils veränderter Kristallstruktur nötig. Etwa einmal pro Sekunde wird dazu die Kunststofffolie zwischen einem wärmenden und kühlenden Zustand hin und her geschaltet. Im Wärmemodus wird das kühle Polymer über eine schaltbare, elektrostatische Anziehung in die Nähe der Haut gezogen. Dort wird ein elektrisches Feld von wenigen Volt aufgebaut; die Kunststofffolie und damit die Haut erwärmt sich. Danach wechselt die elektrostatische Anziehung, so dass sich die Folie wieder etwas von der Haut entfernt. Nun kann das elektrische Feld abgeschaltet werden. Die Folge: die Folie kühlt wieder ab und steht damit bereit für den nächsten wärmenden Zyklus. Im Kühlmodus laufen diese Schritte in umgekehrter Reihenfolge ab.

Viele Versuchsreihen zeigten, dass durch diesen ausgeklügelten Prozess die Haut etwa zehn Grad gekühlt und gut drei Grad erwärmt werden konnte. Der Wohlfühlbereich ließ sich so auf Außentemperaturen zwischen 12,5 und 37,6 Grad Celsius und damit um beachtliche 19 Grad vergrößern. Kein anderes Heiz-Kühlsystem für funktionelle Kleidung konnte bisher einen so großen Temperaturbereich abdecken. Um auch rund um die Uhr zu funktionieren, speicherten die Forschenden den Stromüberschuss tagsüber in einer Lithium-Ionen-Batterie, die sich ebenfalls in den Klimaanzug integrieren ließe.

Auf der Basis der ersten Prototypen könnten nun Klimaanzüge mit mehreren eingelagerten Modulen entwickelt werden. Die Arbeitsgruppe um Yongsheng Chen hält einen Einsatz in Weltraumanzügen für sinnvoll, da sich in einem Erdorbit wärmere Sonnenphasen schnell mit kalten Dunkelphasen abwechseln. Doch auch auf Expeditionen in extremer Umgebung etwa in der eisigen Antarktis könnten solche autarkten Klimaanzüge genutzt werden.

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