Meister-Trainer ganz privat: Was Sie über Alonso noch nicht wussten

Xabi Alonso führte Leverkusen zum ersten Meistertitel der Klub-Geschichte

Xabi Alonso führte Leverkusen zum ersten Meistertitel der Klub-Geschichte

Foto: David Inderlied/dpa

Wer aus Xabi Alonso schlau werden will, der ist schon im Ansatz gescheitert. Was steckt hinter diesem hintergründigen, versteckten, rätselhaften Lächeln, das ein bisschen an die Mona Lisa von Leonardo da Vinci erinnert?

Es wird für immer ein Geheimnis bleiben, wie dieser 42-jährige Baske nach einer großartigen Fußballer-Laufbahn beim FC Liverpool, Real Madrid und Bayern München nun auf seiner ersten großen Trainer-Station ausgerechnet aus Bayer Leverkusen, seit Jahren als Vizekusen verspottet, einen strahlenden Deutschen Meister macht. Oder ist es doch ganz einfach?

Nie werde ich, der Autor dieses Artikels, den Nachmittag im Oktober 2012 vergessen, als ich Xabi Alonso auf dem Trainingsgelände „Valdebebas“ von Real Madrid exklusiv interviewen durfte. 20 Minuten waren vereinbart. Auf die Sekunde genau klingelte das Telefon von Pressechef Carlos Carbajosa. „Sag ihm, dass das Training beginnt“, mahnte José Mourinho, bekannt als selbstherrlicher Trainer mit eisernen Prinzipien. Alonso verzog keine Miene. „Frag ruhig weiter“, sagte er zu mir, ohne eine Spur von Nervosität.

Nach 25 Minuten klingelte es ein zweites, nach 30 Minuten in drittes Mal. Mourinhos Stimme war mittlerweile schneidend, bedrohlich. Was Alonso nicht scherte. Der Gast aus Deutschland war ihm wichtig. „Wir Basken waren ein verwegenes Seefahrervölkchen“, erzählte er. Und davon, dass er beim Hochseefischen so richtig abschalten kann, dass es das höchste Glücksgefühl war, auf den Seychellen einen neun Kilo schweren Thunfisch zu fangen. Dass Mesut Özil und Sergio Ramos sehr eng miteinander befreundet sind. Dass er als Fußballer vor allem Marco Reus sehr schätzt (er ließ sich sogar mit dessen Trikot fotografieren, ob da auf Leverkusen noch etwas zukommt?), Ronaldo nicht unzugänglich sei, sondern ein guter Freund.

Wir verabschiedeten uns mit einem Lächeln. „Man muss das Dienstliche vom Privaten unterscheiden. Ich habe einen wunderbaren, persönlichen Umgang mit Mourinho“, sagte er noch. Ich schloss daraus, dass Alonso die kleinen Machtkämpfe innerhalb einer großen Mannschaft gerne für sich entscheidet. Auf dem Rückweg in die Stadt sah ich Xabi Alonso elegant gekleidet auf meterhohen Wänden. Als Model für die Kaufhauskette „El Corte Ingles“.

Scholl nennt ihre NamenSchnappt Bayern jetzt nach drei Leverkusen-Stars?

Quelle: BILD

Zum Ende der Saison wurde 2013 der Vertrag mit dem selbstherrlichen Mourinho gelöst. 2014 war Alonso mit Real Madrid Champions-League-Sieger – und folgte dem Ruf von Pep Guardiola zu Bayern München. Dort war die Aufregung zunächst groß, weil der fast 33-Jährige im Tausch mit dem damals 24-jährigen Toni Kroos kam. Also eine ältere Passmaschine für eine jüngere Passmaschine. Ich rief Franz Beckenbauer an. „Die Verpflichtung von Xabi Alonso wird Gold wert sein“, sagte der Kaiser. „Er kann nur eines nicht: Fehlpässe spielen. Er denkt jetzt schon wie ein Trainer. Die Mannschaft, die er mal trainiert, kann man jetzt schon beglückwünschen.“

Ich traf dann Alonso ein paar Mal im hippen Glockenbachviertel und auf dem Viktualienmarkt, wo er Tomaten und Obst kaufte, wo er mit seinen Kindern spazieren ging, mit den Leuten redete („ich liebe das“). Der spanische Baske war zwar in die Villa von Toni Kroos gezogen, doch der Luxus von Harlaching oder Grünwald war ihm suspekt. Er liebte das Bad in der Menge.

Obwohl nicht der Schnellste, hatte er gleich bei seinem ersten Spiel bei Schalke 04 die meisten Ballkontakte, deutlich über 200 wurden zu seinem Markenzeichen. „Ich bin kein Sprinter“, sagte er mir. „Es ist nicht mein Job, selbst gut zu spielen, sondern es jedem zu erlauben, besser zu agieren. So interpretiere ich meine Pflichten.“

Das hat er jetzt nahtlos als Trainer auf die Spieler übertragen. In der C-Jugend bei Real Madrid, in der B-Mannschaft von San Sebastian, jetzt in Leverkusen. Da spricht kein Vorgesetzter mit ihnen, kein Mourinho-Verschnitt. Da spricht ein Mensch mit dem ungeheuren Fachwissen von Pep Guardiola und gleichzeitig ein Mensch mit wohltuender Ruhe, mit einer Aura, wie sie nur noch Carlo Ancelotti ausstrahlt, sein Trainer bei Real und bei Bayern. Nur dass Xabi nicht Kaugummi kaut.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.