Digitalisierung:3-D-Doubles für Bayern

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Grün bedeutet: gut geeignet. In dieser Version zeigt der digitale Zwilling aus Kulmbach, wie viel Potenzial in Gebäuden für eine Solaranlage steckt. (Foto: RIWA GmbH)

Hochwasserschutz, Energieplanung, Bettenbelegung: Kommunen haben ein Jahr lang "digitale Zwillinge" erprobt, um altbekannte Probleme zu lösen. Wie lief's?

Von Celine Imensek

Lohnt sich auf diesem Grundstück eine Solaranlage? Wo wären Parkplätze in der Gemeinde sinnvoll? Wie schützt sich ein Gebiet vor Hochwasser? Auf all diese Fragen suchten 17 Projekte aus ganz Bayern ein Jahr lang in einem Tool die Lösung: dem digitalen Zwilling. Die meisten haben eine 3-D-Darstellung ihres Projekts erstellt und dieses mit verschiedenen Daten verknüpft. Am Donnerstag fand die Abschlussveranstaltung des TwinBy-Programms mit Digitalminister Fabian Mehring (FW) in München statt.

Rund um den bestuhlten Bereich vor der Bühne in der "Macherei" München haben die Aussteller ihre Stände aufgebaut. Alle Projektvertreter sind mit Bildschirmen ausgestattet, um jedem Interessierten ihre Arbeit der vergangenen Monate vorzustellen. An einem der Stände steht Michael Beck mit seiner Kollegin Julia Maisel. Er ist seit dem Bestehen des Bereichs Geoinformations-Systeme (GIS) in Kulmbach für dessen Management zuständig; sie unterstützt die Abteilung seit fast anderthalb Jahren.

Julia Maisel und Michael Beck haben am Donnerstag den digitalen Zwilling des Landkreises Kulmbach für Energieplanung vorgestellt. (Foto: privat)

Beide haben die Entwicklung des digitalen Zwillings ihres Landkreises federführend begleitet. "Die meisten verbinden Kulmbach mit gutem Bier. Bei uns gibt es aber auch zwei große Unternehmen, die Wärmepumpen herstellen", sagt Beck. Deshalb sei das Nutzbarmachen verschiedener Energieformen schon lange Thema gewesen. In den vergangenen zehn Jahren war die Region in Oberfranken an Forschungsprojekten zu oberflächennaher Geothermie beteiligt, seit 2007 baut Kulmbach mehrere Infrastrukturen für Geodaten auf. Bisher jedoch nur auf Quartiersebene.

Kosten für Solaranlage berechnen

Mit dem Vorhaben "Interkommunale 3-D-Energieplanung 4.0" lassen sich nun auch die Potenziale für Wärmepumpen, begrünte Dächer und Solaranlagen einzelner Gebäude und Grundstücke erkennen. "Der Häuslebauer will schließlich wissen, was auf seinem Grundstück möglich ist", so Beck. Wie man das öffentlich zugängliche Modell in Zukunft nutzen kann, demonstriert GIS-Mitarbeiterin Maisel bei der Ausstellung auf dem Abschluss-Event: Am Farbcode erkennt man nicht nur, welche Grundstücke beispielsweise für eine Solaranlage geeignet sind. Die einzelnen Gebäude sind anklickbar, ein Link führt zu einem Assistenten. Dort können Hausbesitzer individuelle Angaben zu ihrem Haushalt machen und sich so etwa Baukosten oder CO₂-Einsparungen berechnen lassen.

Mit diesem Tool sollen die Kulmbacher zukünftig sehen können, wie sich eine Solaranlage oder Wärmepumpe auf ihrem Grundstück auswirken würde. (Foto: tetraeder.solar GmbH)

Der Zwilling, den Beck und Maisel am Donnerstag präsentieren, ist jedoch nur eine Beta-Version. Mit dem Livegang der Anwendung rechnen die GIS-Verantwortlichen in den nächsten Wochen. Dann finden nicht nur Bürger eine neue Hilfestellung für ihre Energieplanung. Auch die Verwaltungen im Landkreis und die Energieagentur Nordbayern sollen das Modell nutzen.

In Zukunft möchte man in Kulmbach an weiteren Zwillingen arbeiten, um auch Themen wie Breitbandausbau, Bauplanung und Mobilität anzugehen. Für manche Bereiche sind bereits abgeschlossene Konzepte vorhanden. Anders als beim digitalen Double zur Energieplanung muss die oberfränkische Stadt bei weiteren Projekten nicht bei null anfangen. Durch die Smart District Data Infrastructure (SDDI) haben Kommunen in Bayern Zugriff auf einen gemeinsamen Katalog. Dort haben die Teilnehmer von TwinBy alle Ressourcen verzeichnet, von denen sie Daten für ihren Zwilling herangezogen haben. Außerdem nutzen alle Projekte standardisierte Datenformate. "Durch dieses Programm ist eine Reihe von Rezepten entstanden, die sich nun auf andere Gemeinden übertragen lassen", sagt Thomas Kolbe, Projektleiter der SDDI an der Technischen Universität (TU) München. Mit der entstandenen Infrastruktur könne zukünftig eine Kommune anderen helfen und gleichzeitig von deren Erkenntnissen profitieren.

"TwinBy 2.0" soll folgen

Kolbes Team war während der vergangenen Monate nicht nur für das Bereitstellen der SDDI verantwortlich. Sondern hat ebenso wie andere externe Dienstleister während des Projekts beraten, unterstützt und Workshops veranstaltet. An etwa der Hälfte der Angebote hat die Kulmbacherin Maisel teilgenommen. Obwohl sie als studierte Kartografin schon tief im Thema war, konnte sie Inhalte für sich mitnehmen: "Gerade für Leute, die aus anderen Bereichen kommen, waren die Vorträge hilfreich."

Oliver Bähr und Klemens Behl sind zwei von ihnen. Sie haben für das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau ein Bettenbelegungstool entwickelt, um Patienten in der Notaufnahme effizienter auf die verfügbaren Plätze zu verteilen. "Ohne die Begleitung der externen Partner hätte das Projekt nicht funktioniert", so Bähr. Auch andere haben das fehlende Fachwissen und damit die Abhängigkeit von Dienstleistern bei den Podiumsgesprächen bei der Abschlussveranstaltung als größte Hürde benannt. Zwischen den Panels kommt auch Digitalminister Mehring zu Wort. Sein Ministerium hat TwinBy verantwortet und das Vorhaben mit insgesamt etwa einer Million Euro gefördert.

Bis Oktober 2023 war noch Mehrings Vorgängerin Judith Gerlach (CSU) für das Programm verantwortlich. Doch obwohl das Vorhaben nicht aus seiner Feder stammt, wirkt der aktuelle Digitalminister zufrieden: "Heute senden wir ein Signal für ein modernes Bayern und innovative Verwaltung." In der Sitzung des Haushaltsausschusses am vergangenen Montag hatte Mehring zudem vorgeschlagen, das Projekt in erweiterter Form als "TwinBy 2.0" weiterzuführen. Eine Zustimmung des Landtags steht derweil noch aus.

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