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Janko Tietz

Die Lage am Abend Wen stellt Putin für die Europawahl auf?

Die drei Fragezeichen heute:

  1. Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl – was wollte das FBI von ihm wissen?

  2. Feuer in Kopenhagen – warum brannte das historische Börsengebäude?

  3. Israel ringt um Reaktion auf Irans Aggression – wie beurteilen Völkerrechtler die Lage?

Podcast Cover

1. Es trollt der Rubel

AfD-Spitzenkandidat Krah: Ein großer Irrtum?

AfD-Spitzenkandidat Krah: Ein großer Irrtum?

Foto: Ronny Hartmann / AFP

Maximilian Krah ist der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl im Juni. Manchmal drängt sich allerdings der Eindruck auf, er könnte womöglich auch der Spitzenkandidat des Kreml sein.

Ende März hatte die tschechische Regierung eine mutmaßliche Einflussoperation Russlands vor der Europawahl aufgedeckt . Über die Internetseite »Voice of Europe« soll nicht nur Propaganda im Sinne des Kreml verbreitet worden sein. Das in Prag ansässige Medienunternehmen soll auch zur verdeckten Finanzierung von Kandidaten zur Europawahl gedient haben, die Moskau genehm sind.

Sowohl Krah als auch der auf Listenplatz zwei stehende AfD-Politiker Petr Bystron gaben dem Portal Interviews und verbreiteten russlandfreundliche Botschaften. Bystron steht im Verdacht, Geld aus Russland erhalten zu haben, was er dementiert.

Nun gibt es den Verdacht, dass auch Krah über längere Zeit von Russland versteckt bezahlt worden sein könnte. US-Ermittler vom FBI haben ihn dazu befragt. Nach Informationen von SPIEGEL und dem ZDF-Magazin »Frontal« fand die Vernehmung im Dezember 2023 in den USA statt. Krah hatte in New York eine Veranstaltung der jungen Republikaner besucht, auf der auch Donald Trump aufgetreten war. Auf Anfrage bestätigte der AfD-Politiker die Vernehmung.

Die amerikanischen Ermittler hielten dem Deutschen unter anderen eine Chatnachricht des prorussischen Aktivisten Oleg Woloschyn vor, in der von »Kompensationen« die Rede war.

»Voice of Europe« sprach in einer Stellungnahme von »wilden Spekulationen und absurden Vorwürfen«. Auch Krah weist die Vorwürfe zurück. Er habe von Woloschyn nie Geld bekommen, teilte er mit, »keine Zahlungen, geldwerten Leistungen oder sonstige Kompensationen«. Bei der Nachricht handle es sich wohl um einen Irrtum oder eine missverständliche Formulierung infolge mangelhafter Englischkenntnisse.

»Unsere Recherchen zeigen immer häufiger, auf welch vielfältige Art und Weise Russland auf unser politisches System einzuwirken versucht«, sagt mein Kollege Jörg Diehl, der die jüngsten Recherchen koordiniert hat. »Was anfangs Einzelfälle zu sein schienen, offenbart zunehmend den Charakter einer perfiden Strategie. Das ist wirklich beunruhigend.«

2. Dänen der Trauer

Gestern vor fünf Jahren brach in der Kathedrale Notre-Dame in Paris ein verheerendes Feuer aus. Der einstürzende Spitzturm der Kirche riss große Teile des brennenden Dachstuhls mit sich. Die Bilder gingen um die Welt.

Heute erleidet Kopenhagen seinen Notre-Dame-Moment. Wieder fiel dem Inferno ein historischer Spitzturm zum Opfer. Seit Anfang des Jahres wird die Börse in Kopenhagen umfassend restauriert. Das ursprünglich im niederländischen Renaissancestil errichtete Gebäude soll wieder in seinen Ursprungszustand gebracht werden.

Aus bislang unbekannten Gründen brach am Morgen ein Brand im Gebäude aus (sehen Sie hier ein Video zum Unglück). Gegen 8.30 Uhr stürzte der Drachenturm ein. Ein Baugerüst habe den Einsatzkräften den Zugang zum Brandherd erschwert, während das Kupferdach die Hitze festgehalten habe, so die Feuerwehr. Tragende Strukturen seien beschädigt worden, von einem Einsturz des gesamten Gebäudes gingen die Einsatzkräfte zunächst aber nicht aus.

Dänemarks Bevölkerung und die Politik zeigten sich tief betroffen. Der Verteidigungsminister schrieb bei X: »Schreckliche Bilder aus Børsen. So traurig. Ein ikonisches Gebäude, das uns allen viel bedeutet.«

Der Kulturminister kündigte dort an, er wolle alles dafür tun, damit sich die ikonische Drachenspitze wieder in den Kopenhagener Himmel winde, »als Symbol für die starke Geschichte, die Dänemark als Handelsnation hat«.

Ein Vorbild gibt es schon: Zum Beginn der Olympischen Spiele in Paris am 26. Juli soll Notre-Dame wiedereröffnet werden – inklusive neu errichtetem Spitzturm.

3. Wann reagiert Israel – und wie?

Die Welt rätselt, wie Israel auf Irans Angriff reagiert. Zunächst geht die israelische Regierung politisch gegen Teheran vor. Außenminister Israel Katz sagte heute, neben den militärischen Planungen führe er »einen diplomatischen Angriff« auf Iran. Er habe 32 Staaten schriftlich darum gebeten, das iranische Raketenprogramm zu sanktionieren und die Revolutionsgarden als terroristische Vereinigung zu listen. Außenministerin Annalena Baerbock kündigte überraschend eine weitere Reise nach Israel an (lesen Sie hier mehr).

Mein Kollege Dietmar Hipp hat mit dem Völkerrechtler Daniel-Erasmus Khan gesprochen. Dabei ging es auch um den Ausgangspunkt des jüngsten Konflikts Anfang April: den mutmaßlichen Angriff Israels auf die iranische Botschaft in Damaskus. »Fest steht: Man darf nicht einfach Terroristen auf fremdem Staatsgebiet wegbomben, auch wenn wir das häufig mit einem Schulterzucken hinnehmen, sofern es in entfernten Weltregionen passiert zumindest«, sagt Khan.

Genauso klar äußert er sich aber auch zur als Vergeltung bezeichneten Gegenattacke: Iran hätte niemals angreifen dürfen, so Khan. Eine angemessene Reaktion wären Repressalien, Boykotte und Ähnliches gewesen, man hätte die diplomatischen Beziehungen abbrechen können, wenn es welche gäbe. »Vor allem hätte Iran den Uno-Sicherheitsrat anrufen können. Für solche Fälle ist er da.«

Dass all das nicht geschah, zeigt, wie stumpf das Schwert der Diplomatie inzwischen ist. Ist Deutschland jetzt mit Iran im Krieg, weil ein Tankflugzeug der deutschen Luftwaffe offenbar französische Kampfflugzeuge aufgetankt hat, die an der Abwehr des Angriffs beteiligt gewesen sein sollen? »Ich bitte um Verständnis, aber die Schlagzeile werde ich jetzt nicht liefern«, sagt Khan.

Was heute sonst noch wichtig ist

  • CDU ändert wohl umstrittenen Islam-Satz im geplanten Grundsatzprogramm: »Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.« So stand es im geplanten CDU-Grundsatzprogramm. Nach heftiger Kritik soll die Formulierung nun geändert werden, heißt es in einem Medienbericht.

  • Kanzler drängt Chinas Machthaber zu Friedenslösung im Ukrainekrieg: Es soll um Russlands Krieg gehen und um mehr Zusammenarbeit beim Klimaschutz: Olaf Scholz ist mit Xi Jinping zusammengekommen. Derweil warnt die deutsche Autoindustrie vor Risiken im Geschäft mit der Diktatur.

  • Briten wollen Zigaretten verbieten: Churchill hätte keine Freude an seinen Landsleuten: Ausgerechnet Großbritanniens Konservative wollen den Verkauf von Zigaretten unmöglich machen. Ex-Premier Johnson findet das »absolut verrückt«.

  • Verschwundene Jugendliche taucht nach 13 Jahren wieder auf: Ihre Familie meldet sie im Oktober 2010 als vermisst: Jessica Delgadillo, damals 14, war nicht aus der Schule nach Hause zurückgekehrt. Nun ist klar: Sie lebt.

Meine Lieblingsgeschichte heute: Kumpel Aktentasche

TikTok-Kanal des Bundeskanzlers: Um die Menschen zu erreichen, auch die ganz jungen

TikTok-Kanal des Bundeskanzlers: Um die Menschen zu erreichen, auch die ganz jungen

Foto: teambundeskanzler / TikTok

Bundeskanzler Olaf Scholz ist seit Kurzem auf TikTok. Man soll sich nicht lustig machen über die Bemühungen der ernsthaften Politikerinnen und Politiker, den Politdarstellern der AfD etwas entgegenzusetzen. Denn die Rechten sind auf Social Media Plattformen besonders erfolgreich, mutmaßlich, weil sie mit dem vielen Geld aus Russland ihre Internet-Trollarmee bezahlen können, die das Netz mit Memes und Desinformation flutet.

Mein Kollege Stefan Kuzmany hat die etwas ungelenken Auftritte von Scholz bei TikTok dennoch etwas auf die Schippe genommen. Er hat gewissermaßen das Originaldrehbuch für die kurzen Einspieler geschrieben. Fiktional selbstverständlich. Aber es könnte wirklich so gewesen sein. Ich jedenfalls habe sehr laut gelacht. Und wann kann man das schon mal in diesen Tagen?

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Könnte der ukrainische Luftraum so gut geschützt werden wie der Israels? Präsident Selenskyj fordert nach der erfolgreichen Abwehr des iranischen Angriffs auf Israel gleiche Bedingungen beim Schutz seines Landes. Was von der Forderung zu halten ist. 

  • Besonders die Grünen haben sich verzockt: Ohne Not kastriert die Ampelkoalition das Klimaschutzgesetz. Sie gibt eines der wichtigsten Gesetze der Vorgängerregierung auf. Und zeigt, dass sie klimapolitisch am Ende ist .

  • Hier ist er einfach »Mr Trump«: Sein Kunstlederstuhl hängt durch, überall liegen Kabel: Donald Trumps Gerichtssaal ist eine andere Welt als der Märchenkitsch von Mar-a-Lago. Und der Richter macht deutlich, wer hier das Sagen hat .

  • Hier ist die Weltwirtschaft verwundbar: Über Jahrzehnte sind Welthandel und Wohlstand ungebremst gewachsen. Datenkabel, Pipelines, Wasserstraßen und Satelliten machen es möglich, doch das System ist anfällig. Eine interaktive Reise vom Meeresboden bis ins Weltall .

Was heute weniger wichtig ist

Schall und Jauch: Eine Kandidatin bei der Quizshow »Wer wird Millionär?« stand vor der 64.000-Euro-Frage und zeigte sich unsicher. Plötzlich rief jemand im Publikum »Nein!«. Moderator Günther Jauch, 67, reagierte schnell. Er moderierte die deutsche Version 1999 zum ersten Mal. Auf RTL.de sagte er, er habe »mittlerweile auch ein feines Gehör entwickelt, ob sich da irgendwas im Publikum tut«.

Mini-Hohlspiegel

Aus der »Märkischen Allgemeinen«

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Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

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Illustration: Thomas Plaßmann

Und heute Abend?

Der Film »Back to Black« ist gerade in die Kinos gekommen. Die Filmbiografie über die britische Sängerin Amy Winehouse wird von der Kritik gelobt und verrissen. Die einen sehen die 2011 mit 27 Jahren an einer Alkoholvergiftung verstorbene Künstlerin angemessen gewürdigt, andere »zum Klischee verkleinert« (lesen Sie hier die Rezension meines Kollegen Andreas Borcholte).

Wer die ganze Größe dieser Frau erleben will, kann sich das Konzert ansehen, das Winehouse 2004 beim North Sea Jazzfestival in Den Haag gegeben hat (hier  bei YouTube).

Ihr Debütalbum »Frank« war gerade auf den Markt gekommen. Sie trat ganz intim mit dem Trio um Bradley Webb (Schlagzeug), Pete Cochrane (Bass) und Sam Beste (Fender Rhodes) in klubähnlicher Atmosphäre auf, noch nicht suchtkrank, noch voller Energie und Kreativität.

Zu diesem Konzert wollte ich damals eigentlich fahren, aber ich habe mich für eine andere Frau entschieden: Wir heirateten an jenem Wochenende.

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Ihr Janko Tietz, Ressortleiter Nachrichten

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