VW e-Golf: Gebrauchtwagen-Test

Eine preislich interessante Option ist zum Beispiel der bis 2021 ausgelieferte VW e-Golf, der zudem gut verfügbar ist. Der 1,6-Tonnen-Kompakte bewies seine soliden Anlagen zuletzt im AUTO BILD TÜV-Report mit einem Klassensieg. An seinem Beispiel zeigen wir, worauf Elektroauto-Einsteiger bei der Wahl des passenden Gebrauchten achten sollten.

Die möglichen Reichweiten älterer, gebrauchter E-Fahrzeuge sind denen ihrer Verbrenner-Geschwister meist deutlich unterlegen. Doch das muss in der Praxis kein Drama sein. Entscheidender ist, welche Entfernungen später wirklich mit welcher Frequenz bestritten werden sollen. Die E-Version der siebten Golf-Generation ist konzeptionell bereits zehn Jahre alt. Dennoch verdient sie noch immer Aufmerksamkeit, denn sie bietet das gleiche Platzangebot wie ein Benziner oder Diesel, ist genauso problemlos bedienbar. Objektiv hinkt ein e-Golf einem ID.3 um etliche Jahre hinterher.

Und er hat aufgrund seines kleineren Akkupakets eine spürbar geringere Reichweite. Dafür kann er mit niedrigeren Gebrauchtpreisen ab aktuell rund 10.000 Euro, intuitivem Bedienkonzept mit haptischen Schaltern, spürbar höherer Innenraumqualität und erstaunlich gelungenem, klassisch-zeitlosem Design punkten. Wer im Alltag selten mehr als 150 Kilometer täglich fahren muss, keine Urlaubsdistanzen jenseits der 400 Kilometer plant und gut einstündigen Ladestopps entspannt entgegensieht, der kann sich mit der 2017 eingeführten Facelift-Variante des e-Golf (umgangssprachlich auch e-Golf 300) noch immer anfreunden.

Der verstromte Bestseller startete 2017 als überarbeitete Version ohne Förderungen und Rabatte bei happigen 35.900 Euro. Mit einigen Extras knackte er zügig die 40.000-Euro-Schallmauer. Die von 2014 bis 2017 angebotene erste Golf-7-E-Version mit 115 PS (85 kW) und kleinerem 24,2-kWh-Akku spart gebraucht einige Tausender, jedoch bietet sie mit 145 Kilometer Reichweite ein entscheidendes Quäntchen weniger Praxistauglichkeit.

Das Angebot gebrauchter e-Gölfe ist in Deutschland gegenwärtig recht groß. In den gängigen Onlinebörsen sind gut 700 Fahrzeuge mit Laufleistungen zwischen 3300 und 185.000 Kilometern gelistet. Die Preisspanne reicht von 10.000 bis knapp 30.000 Euro. Zwischen 15.000 und 20.000 Euro tummeln sich insbesondere reichlich Leasingrückläufer mit größerem Akku. Doch nicht nur Kaufpreis und Laufleistung machen den Unterschied; die individuelle Fahrzeughistorie und der Pflegezustand sind auch beim E-Golf zentrale Argumente für oder gegen einen Fahrzeugkauf.

Zahlreiche Vorbesitzer im Brief rechtfertigen genauso wie eine Vornutzung als Miet- oder Carsharing- Fahrzeug oder auch Re-Import deutlich spürbare Preisabschläge. Eine lückenhafte Wartungshistorie ist problematisch, weil dadurch die Akku-Garantie akut gefährdet ist. Für jüngere Fahrzeuge mit Rest-Neuwagengarantie (neu bis fünf Jahre, 150.000 Kilometer) spricht, dass der Hersteller noch voll mit im Boot ist. Für gebrauchte e-Gölfe bietet VW außerdem kostenpflichtige Reparaturkostenversicherungen und Gebrauchtwagengarantien an.

VW zeigte sich beim e-Golf von seiner sparsamen Seite. Basis bildete die Comfortline-Ausstattung, an Bord waren außerdem Navi-Infotainment und LED-Scheinwerfer. Etliche weitere Komfortausstattungen und Assistenten waren lieferbar, mussten jedoch als Extra teuer bezahlt werden. Zum halbwegs flotten Laden unterwegs ist die CCS-Ladedose elementar. Um im Winter den Akku zu schonen, effizienter zu heizen und die Reichweite zu optimieren, sollte außerdem eine Wärmepumpe zur Verbrauchsreduzierung und Schonung des Akkupakets verbaut sein.

Für einen realistischen Fahreindruck sollte eine mindestens 30 bis 60 Minuten lange Probefahrt mit Stadt-, Land- und Autobahnanteil gewählt werden. Dann zeigt sich, ob ein e-Golf in der Praxis zum individuellen Fahrprofil passt. Vor Fahrtstart empfiehlt es sich, die im Kombiinstrument angegebene mögliche Reichweite und den Kilometerstand zu notieren sowie den Bordcomputermodus "ab Start" zu wählen. So erhält man brauchbare Anhaltspunkte, wie hoch der eigene individuelle Verbrauch und die nutzbare Reichweite wirklich sind.

In der Stadt wirkt der Golf dank seines guten Drehmoments sehr spritzig. Ein klarer Schwachpunkt des e-Golf ist sein arg limitierter Aktionsradius auf Autobahnen. Dort steigt der Verbrauch bei höheren Geschwindigkeiten deutlich an. Der sogenannte "Sweet Spot", der den bestmöglichen Kompromiss aus Geschwindigkeit und Reichweite darstellt, liegt etwa bei Tempo 105.

Idealerweise sollte zum Fahrzeug vor dem Kauf ein Gebrauchtwagen-Zustandsbericht durch einen Sachverständigen erstellt werden. Falls dieser nicht vorliegt, lässt er sich, abhängig vom Umfang und Anbieter, für rund 80 bis 200 Euro anfertigen. Auch die Bodengruppe sollte nicht unbeachtet bleiben, denn Schäden am Akkupaket oder den Hochvoltkabeln können unerwartet teuer werden.

VW garantiert beim e-Golf ab Werk eine Akku-Restkapazität von mindestens 70 Prozent nach maximal acht Jahren oder 160.000 Kilometern – ein branchenüblicher Wert. Falls der Akku vorzeitig einen Defekt hat, wird nicht zwangsläufig der gesamte Energiespeicher, sondern in der Regel nur das defekte Modul ausgetauscht. Achtung: Ein Ersatzakku vom Hersteller muss laut Garantiebedingungen oftmals keine 100, sondern nur 85 Prozent der Werksangabe erreichen! Je älter ein Fahrzeug ist, desto wichtiger wird ein Profi-Check des Akkus.

Wir haben einen Test zur Bestimmung des SOH-Werts (State of Health) mit Equipment der österreichischen Firma Aviloo durchgeführt. Der 118 Euro teure Test loggt während einer AkkuEntladung von 100 auf 10 Prozent permanent Daten. Die Auswertung ergab in unserem Fall, dass der ab Werk für bis zu 2000 Ladezyklen ausgelegte Akku mit 96 Prozent Restkapazität bei unserem dreieinhalb Jahre alten Fahrzeug in einer guten Verfassung ist. Statt der ab Werk angegebenen Kapazität von 31,5 kWh für den e-Golf ergab der Check nutzbare 30,14 kWh. Dieser Kapazitätsverlust (Degradation) fällt erfahrungsgemäß anfangs oftmals relativ hoch aus, verlangsamt sich dann jedoch.

Schonender Umgang verlängert das Leben des wertvollen Antriebsakkus spürbar. Der Verzicht auf Schnelllader ist in dieser Hinsicht genauso empfehlenswert wie das Halten eines Akku-Ladestands zwischen 20 und 80 Prozent. Vortemperieren an der Wallbox schont in der kalten Jahreszeit ebenfalls den Akku, denn das Heizen des Innenraums ist energieintensiv. Ständiges Volllast-Beschleunigen stresst den Akku dagegen. Ideal ist eine gleichmäßige Fahrweise. Standzeiten überstehen Akkus am besten, wenn sie auf einem mittleren Niveau geladen sind.