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Neue Regeln für Finanzmarkt Brüssel will Investitionsflüsse kräftig ankurbeln

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Scholz verweist auf die USA als Beispiel.

Scholz verweist auf die USA als Beispiel.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Unternehmen investieren gerne in China oder den USA, weil sie dort die Vorteile eines einheitlichen Finanzmarkts genießen. Die Staats- und Regierungschefs der EU suchen nun nach Wegen, um den Binnenmarkt zu stärken. Sie wollen konkurrenzfähig bleiben. Beim Thema Steuern gibt es aber Streit.

Um mit den USA und China wirtschaftlich mithalten zu können, will die EU die Größe ihres Binnenmarktes besser nutzen. Der Binnenmarkt habe "seine Potenziale und Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz nach einem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. EU-weit einheitlichere Regeln für den Finanzmarkt sollen größere Investitionen für Unternehmen ermöglichen, eine Reihe kleinerer Mitgliedstaaten verhinderte allerdings eine Erklärung für eine Angleichung der Steuersysteme.

Scholz hält weitere Fortschritte beim Zusammenwachsen der europäischen Kapitalmärkte für möglich. "Wahrscheinlich ist der nicht ausreichend entwickelte Kapitalmarkt in Europa die wesentliche Ursache, warum die Wachstumsdynamik in Europa nicht so groß ist, wie sie in manchen anderen Plätzen der Welt ist", sagte der SPD-Politiker nach dem Spitzentreffen. Dabei verwies er auf die USA als Beispiel. "Ich glaube, dass wir also in diesem Feld jetzt endlich Fortschritte sehen werden."

"Auf europäischer Ebene gibt es ein gigantisches Finanzvolumen", das es mit Blick auf den Klimawandel, die Digitalisierung und geopolitische Krisen zu nutzen gelte, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. In der EU könnten "zusätzlich rund 470 Milliarden Euro pro Jahr an Finanzmitteln über die Kapitalmärkte" generiert werden, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Der europäische Finanzmarkt sei "zu fragmentiert und nicht attraktiv genug", sagte der ehemalige italienische Regierungschef Enrico Letta. In Brüssel stellte er einen Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU vor, den er im Auftrag der Mitgliedstaaten erarbeitet hatte.

"Breite Bedenken" gegen Vereinheitlichung des Steuerrechts

Die Staats- und Regierungschefs sprachen sich dafür aus, die Gesetze für das Insolvenzrecht von Unternehmen EU-weit anzugleichen. Eine ähnliche Absichtserklärung für eine Vereinheitlichung des Steuerrechts für Unternehmen wurde auf Drängen kleinerer Mitgliedstaaten wie Estland, Irland und Luxemburg allerdings aus den finalen Schlussfolgerungen gestrichen.

"Als kleines Land haben wir nicht viele Wettbewerbsvorteile", erklärte Estlands Regierungschefin Kaja Kallas. Einer sei aber ein "sehr kompetitives Steuersystem", das die EU Estland nicht "wegnehmen" dürfe. Es gebe "breite Bedenken" gegen eine Vereinheitlichung des Steuerrechts für Unternehmen, betonte auch Irlands Regierungschef Simon Harris. Die Finanzmarktreform soll für größere private und öffentliche Investitionen in der EU sorgen. Bislang gelten in den 27 EU-Ländern unterschiedliche Regeln für die Besteuerung und das Insolvenzrecht von Unternehmen. Investitionen über Grenzen hinweg sind deshalb häufig kompliziert.

Die kleineren EU-Staaten befürchten dadurch auch noch umfangreichere staatliche Hilfen für Unternehmen in großen Ländern wie Deutschland und Frankreich. "Das Rennen um Subventionen, in dem Staaten Subventionen zahlen und wir miteinander konkurrieren, ist schädlich für die Wettbewerbsfähigkeit", sagte Kallas. Für Diskussionen unter den Staatenlenkern sorgte auch eine Zentralisierung der Überwachung der Finanzmärkte bei der europäischen Aufsichtsbehörde ESMA mit Sitz in Paris, wie sie Frankreich vorgeschlagen hatte. Luxemburgs Regierungschef Luc Frieden etwa warnte, die EU dürfe nicht "alles überbürokratisieren, überregulieren und auch überzentralisieren".

Wirtschaft in der EU wuchs nur leicht

In ihrer Gipfelerklärung sprachen sich die Staats- und Regierungschefs nun dafür aus, die Kapazitäten der ESMA "unter Berücksichtung der Interessen aller Mitgliedstaaten" zu stärken. Erklärtes Ziel ist es demnach, die Finanzmarktaufsicht langfristig anzugleichen und effizienter zu machen.

Neben dem Finanzmarkt sprachen sich die EU-Staaten für einheitliche Regeln im Energie- und Telekommunikationssektor aus. Auf diesen Märkten gebe es "seit Jahren" Hindernisse für Unternehmen, erklärte Letta bei der Vorstellung seines Berichts. "Wir haben keine Zeit zu verschwenden", warnte der Italiener mit Blick auf den Wettbewerb mit den USA und China.

Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft in der EU nur leicht um 0,5 Prozent, in den USA waren es 2,5 Prozent. Die EU fürchtet vor allem, bei Technologien wie Wind- und Solarenergie, Batterien, Halbleitern und Künstlicher Intelligenz abgehängt zu werden.

Quelle: ntv.de, lve/AFP/dpa

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