Streit um Rentenpunkte Wieso Väter bei der Rente weiter schlechter gestellt werden

Der Haupteingang des Bundessozialgerichts in Kassel (Hessen). Quelle: dpa

Erziehungszeiten zahlen auf das Rentenkonto der Eltern ein. Welcher Elternteil davon profitiert, soll eigentlich gemeinschaftlich entschieden werden. Im Zweifel tritt eine Sonderregel in Kraft, ein Vater sieht sich hierdurch diskriminiert. Jetzt hat das Bundessozialgericht entschieden.

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Kinder zu erziehen ist Arbeit. Das sehen nicht nur die betroffenen Eltern so, sondern in Deutschland auch der Staat. Wer Kinder erzieht, bekommt deshalb Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet – und zwar nicht zu knapp. „Für Geburten ab 1. Januar 1992 werden die ersten drei Jahre nach der Geburt des Kindes als Erziehungszeit angerechnet, für Geburten vor 1992 gibt es zweieinhalb Jahre“, heißt es von der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Bei Mehrlingsgeburten verdoppeln oder verdreifachen sich diese Zeiten.

In harten Zahlen heißt das: Die Rentenversicherung veranschlagt, der oder die Betroffene hätte in dieser Zeit zum deutschen Durchschnittslohn von derzeit 45.358 Euro im Jahr gearbeitet. Für jedes Jahr gibt es dafür einen so genannten Rentenpunkt, der derzeit 37,60 Euro späterer Rente entspricht. Rein rechnerisch können also bis zu 94 Euro monatliche Rente für Geburten vor 1992 und bis zu 112,80 Euro monatliche Rente für Geburten ab 1992 erworben werden.

So weit, so einfach. Doch dann wird es kompliziert. Denn obwohl ein Kind im Idealfall zwei Eltern hat, die sich die Erziehung – möglichst gleichmäßig – teilen, kann nur einer von beiden die Erziehungszeiten bei der Rente anerkannt bekommen. Eine Aufteilung der Anrechnung ist laut DRV nicht vorgesehen, stattdessen erhält derjenige die Erziehungszeiten, der sich überwiegend gekümmert hat.

Einigen sich die Eltern nicht darauf, von dieser Praxis abzuweichen, oder können die Erziehungszeiten nicht eindeutig nachgewiesen werden, hat der Vater das Nachsehen. „Erziehen Mutter und Vater ihr Kind gemeinsam, ohne dass der Erziehungsanteil eines Elternteils überwiegt, erhält grundsätzlich die Mutter die Kindererziehungszeit“, kommentiert die Rentenversicherung. Aus Sicht der Behörde ist diese Bevorzugung nicht nur in Paragraf 56 Absatz 2 des Sozialgesetzbuches festgeschrieben, sondern auch durch mehrere Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) bestätigt worden.

Trotzdem hat ein Vater versucht, diese Regelung vor dem BSG zu kippen. Der Kläger fühlt sich durch diese Praxis diskriminiert. Gerichtsangaben zufolge hatte der Vater nach der Geburt des Kindes weiter Vollzeit gearbeitet, während die Mutter bis zum sechsten Geburtstag zu Hause blieb und dann eine geringfügige Beschäftigung aufnahm. Etwa ein Jahr später trennten sich die Eltern, das Kind lebt seitdem beim Vater. Der aktuelle Aufenthaltsort der Mutter war nicht bekannt.

Der Gang zum BSG war für den Vater bereits die dritte Instanz, eine zuvor eingereichte Klage sowie eine Berufung blieben erfolglos. Er sieht sich aufgrund seines Geschlechts benachteiligt und ist der Ansicht: „Das dahinter stehende Rollen- und Familienbild entspreche auch nicht mehr der gesellschaftlichen Realität.“

Das Bundessozialgericht folgte dieser Auffassung am Donnerstag nicht. „Es liegt keine verfassungswidrige Benachteiligung von Männern darin, dass Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung im Zweifel bei der Mutter anerkannt werden“, teilte das Gericht mit.

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Der Senat räumte zwar ein, dass der Vater durch die Auffangregelung den Kürzeren ziehe, dies gleiche aber andere Nachteile aus, die beim Erwerb von Rentenanwartschaften für Mütter bestünden. Konkret begründeten die Richter ihr Urteil mit der geringen Erwerbsquote von Frauen mit Kindern unter drei Jahren. Ihre Bevorzugung sei daher verhältnismäßig.

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