Wirtschaft

Schreckensszenario der Windkraft "China drückt einen Knopf und in Deutschland wird es dunkel"

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Auch für den Wind-Ausbau an Land werden die meisten der etwa 80 Meter langen Rotorblätter auf dem Seeweg nach Deutschland gebracht.

Auch für den Wind-Ausbau an Land werden die meisten der etwa 80 Meter langen Rotorblätter auf dem Seeweg nach Deutschland gebracht.

(Foto: Cuxport GmbH)

Deutschland will auf See bis 2030 Windparks mit einer Kapazität von 30 Gigawatt bauen, bis 2045 sollen es sogar 70 Gigawatt sein. Die Branche schätzt, dass dafür 7000 Windräder von der Größe des Eiffelturms notwendig sind. Für diesen Ausbau fehlen derzeit allerdings Hafenflächen und Spezialschiffe. Eine Schlüsselrolle spielt Cuxhaven. Bärbel Heidebroek, die Präsidentin des Bundesverbands Windenergie (BWE), erklärt im "Klima-Labor" von ntv, warum der niedersächsische Hafen ein Flaschenhals für den deutschen Ausbau auf See, aber auch an Land und somit für die gesamte Energiewende ist. Ein weiteres Problem ist die subventionierte chinesische Konkurrenz. Ohne klare Wettbewerbsregeln drohe der europäischen Windindustrie dasselbe Schicksal wie der Solarbranche, warnt die BWE-Chefin. Das Schreckensszenario ist finster: Setzt sich China durch, könnte die chinesische Führung später die deutsche Energieversorgung kontrollieren.

ntv.de: Wie kann es sein, dass Hafenflächen für die Windkraft auf See fehlen?

Das ist kein fairer Wettbewerb, sagt BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek über die chinesische Windkraft-Konkurrenz.

Das ist kein fairer Wettbewerb, sagt BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek über die chinesische Windkraft-Konkurrenz.

(Foto: picture alliance/dpa)

Bärbel Heidebroek: Die Hafenflächen sind natürlich nicht weniger geworden, wir brauchen einfach immer mehr Kapazitäten. Wir benötigen den Hafenausbau auch nicht nur für Offshore, also für Windkraft auf See. Die meisten Rotorblätter für Windenergieanlagen an Land kommen ebenfalls übers Wasser zu uns: 80 Prozent dieser Onshore-Flügel landen in Cuxhaven an. Die Mengen und die Rotorblätter selbst sind deutlich größer geworden und der Hafenausbau nicht hinterhergekommen.

Wer hat das verschlafen? Windenergie ist ja keine brandneue Technologie.

Niemand. Die Energiewende nimmt einfach Fahrt auf und jetzt muss die dazugehörige Infrastruktur in Gang kommen. Gerade im Offshore-Bereich haben uns eine ganze Zeit lang Anrainerstaaten mit ihren Häfen geholfen. Da der Windausbau europaweit zunimmt, benötigen die ihre Kapazitäten nun selbst und stehen nicht mehr zur Verfügung. Und dass wir inzwischen auch an Land 80 Meter lange Rotorblätter verbauen, ist wirklich erst in den vergangenen Jahren passiert. Die Flügel wurden früher auch in Deutschland gefertigt, dadurch war der Hafen kein Nadelöhr. Durch die Ausbau-Delle der Windenergie hat sich viel Produktion in den letzten Jahren ins europäische Ausland verlagert, sodass den Häfen jetzt eine andere Rolle zukommt.

Unter anderem hat der NDR im März berichtet, dass der Cuxhavener Hafen für 300 Millionen Euro ausgebaut werden soll. Ist das die Lösung?

Das ist eine sehr gute Nachricht und ein Teil der Lösung, denn Cuxhaven ist der einzige deutsche Hafen, der schon eine Ausbau-Genehmigung hat und loslegen kann. Aber natürlich darf er nicht der Einzige bleiben, denn wir haben keinen Plan B für die Energiewende. In Bremerhaven und Rostock braucht es ebenfalls Investitionen, damit wir die gesamte Logistikkette aufrechterhalten können.

Warum hat das so lange gedauert? Die Pläne für den Ausbau der Windkraft auf See sind schon ein wenig älter.

In Cuxhaven lag es an der Finanzierung. Der Hafenausbau ist normalerweise Ländersache, aber dort werden Rotorblätter für ganz Deutschland angeliefert. Deshalb war unser Standpunkt: Die nötige Infrastruktur ist auch Bundesaufgabe. Jetzt leistet der Bund einen Zuschuss von 100 Millionen Euro. Ohne den hätte man es nicht machen können. Sie können sich vermutlich vorstellen, dass die Einigung erschwert wurde, weil Geld im Bundeshaushalt momentan knapp ist. Insofern musste einiges an Lobbyarbeit geleistet werden, um alle zu überzeugen, dass der Hafenausbau eine Notwendigkeit für die gesamte Energiewende ist und dieses Projekt nicht an diesem Flaschenhals scheitern darf.

Wann beginnt der Ausbau?

Im nächsten Jahr.

Und das passt zu den Zielen für die Windkraft?

In Cuxhaven stapeln sich schon jetzt riesige Rotorblätter für neue Windkraftanlagen.

In Cuxhaven stapeln sich schon jetzt riesige Rotorblätter für neue Windkraftanlagen.

(Foto: Cuxport GmbH)

Es ist ambitioniert, aber erreichbar. Trotzdem muss der Hafenausbau so schnell wie möglich beginnen, damit der europäische Windausbau dauerhaft gestemmt werden kann. Wenn ich auf erneuerbare Energien umstellen will, benötige ich Infrastruktur. Ich habe die feste Hoffnung, dass inzwischen alle wissen: Ohne geht es nicht. Das wäre so, als würde ich Windräder bauen wollen, darf die Kräne dafür aber nicht auf den Straßen transportieren. Das funktioniert nicht.

Ein schönes Stichwort: Es fehlen nicht nur Hafenflächen, sondern auch große Spezialschiffe mit Kränen für die Installation auf See. Wo kommen die her?

Das ist ein normaler Prozess einer Volkswirtschaft: Wenn klar ist, dass die Anlagen gebaut werden sollen und ich die nötige Infrastruktur habe, wird sich eine Werft finden, die diese Schiffe baut. Das wird die Wirtschaft alleine lösen, solange die politisch definierten Rahmenbedingungen passen, stabil und berechenbar sind. Dann steht der Business Case und das Geschäft lohnt sich.

Aber die Bauteile für neue Windkraftanlagen sind doch viel schneller fertig als neue Schiffe. Muss die Bundesregierung nicht zu den Werften gehen und sagen: Fangt an zu bauen, wir garantieren die Aufträge! Denn im Fall der Ukraine war auch viele Monate bekannt, dass sie dringend Munition benötigt. Trotzdem ist die EU mit ihren Zusagen klar gescheitert.

Die Bundesregierung muss die Aufträge nicht garantieren, aber die Ausbauziele müssen klar bleiben. Noch heute leiden wir unter dem Auf und Ab der letzten Regierungen. Es wird privatwirtschaftlich funktionieren, wenn Ziele nicht infrage gestellt werden. Jetzt werden neue Flächen ausgewiesen, Zuschläge erfolgen, der Hafenausbau kommt. Der erste Schritt für den Offshore-Ausbau ist getan. Nun kann die Lieferkette nachziehen. Niemand baut Schiffe, wenn er nicht weiß, ob die nötigen Projekte und Häfen da sind. Natürlich kann es passieren, dass es in dieser Kette noch mal stockt, denn die Energiewende ist unter der Vorgängerregierung praktisch stehen geblieben. Das ist wie eine Dampflokomotive, die jetzt wieder in Schwung kommt. Die hat keine Beschleunigung wie ein Ferrari.

Derzeit wird auch eine große Debatte über fairen Wettbewerb mit China geführt. Die EU ermittelt in den Bereichen E-Autos, Solarindustrie, schaut sich aber auch chinesische Windturbinenbauer an. Es stehen Strafzölle und Einfuhrbeschränkungen im Raum. Fürchten Sie aus dieser Richtung Probleme?

Strafzölle sind selten eine gute Idee, denn die führen zu einem Handelskrieg. Klar ist, dass China unter anderen Bedingungen produziert. Der chinesische Staat subventioniert seine Firmen extrem. Das ist kein fairer Wettbewerb. Dagegen kommen europäische Windanlagenhersteller nicht an. Wir müssen aufpassen, dass sie nicht wie die Solarfirmen von chinesischen ersetzt werden. Es gibt aber eine europäische Antwort, den sogenannten Net Zero Industry Act, der besagt: 40 Prozent sämtlicher grüner Technologien müssen in Europa hergestellt werden. Gerade wird diskutiert, wie die Verordnung ausgestaltet sein muss, damit die Windindustrie faire Rahmenbedingungen erhält.

Zeichnet sich bei bestimmten Bauteilen bereits ein Flaschenhals ab, der zum Problem werden könnte?

Wie in allen technischen Geräten gibt es Komponenten, die vornehmlich aus China kommen. Wir sollten zumindest einen Teil der Produktion zurück nach Europa holen. Ich möchte mir keine Welt vorstellen, in der China deutsche Windenergieanlagen vom Netz nehmen kann und unsere Energieversorgung kontrolliert.

Das würde funktionieren?

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Jeder Hersteller hat potenziell Zugriff auf seine Windenergieanlagen. Diesen Zugriff müssen Hersteller auch haben, denn die Anlage muss gewartet oder bei Engpass oder Störung abgeriegelt werden. Wenn man sich vorstellt, dass in Deutschland nur chinesische Windenergieanlagen stehen, könnte China - plastisch gesagt - auf einen roten Knopf drücken und es wäre dunkel. Deswegen benötigen wir klare Regeln wie in der Telekommunikation: Diese darf China nicht dominieren und kontrollieren. Genauso sollte es auch im Bereich Cybersicherheit für Windenergieanlagen sein.

Mit Bärbel Heidebroek sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast "Klima-Labor" anhören.

Klima-Labor von ntv

Was hilft wirklich gegen den Klimawandel? Klima-Labor ist der ntv Podcast, in dem Clara Pfeffer und Christian Herrmann Ideen, Lösungen und Behauptungen auf Herz und Nieren prüfen. Ist Deutschland ein Strombettler? Vernichtet die Energiewende Industrie & Arbeitsplätze? Warum erwarten so viele Menschen ihren ökonomischen Abstieg? Warum sind immer die Grünen schuld? Sind Seeadler wirklich wichtiger als Windräder? Kann uns Kernkraft retten?

Das Klima-Labor von ntv: Jeden Donnerstag eine halbe Stunde, die informiert, Spaß macht und aufräumt. Bei ntv und überall, wo es Podcasts gibt: RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts, Spotify, RSS-Feed

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Quelle: ntv.de

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