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Verdacht auf Wettermanipulation Haben Menschen den sintflutartigen Regen in Dubai verursacht?

Wüstenemirat unter Wasser: Nie seit Beginn der Aufzeichnungen hat es in Dubai so heftig geregnet wie in dieser Woche. Nun wird spekuliert, ob Wettermanipulation den Starkregen ausgelöst hat. Experten hegen Zweifel.
Überflutete Schnellstraße in Dubai

Überflutete Schnellstraße in Dubai

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Francois Nel / Getty Images

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Ein Passagierjet, der in Wassermassen landet. Autos, die fast bis zum Dach in Fluten stehen. Wolkenkratzer, die aus überschwemmten Straßenzügen herausragen.

Skurrile Bilder und Schlagzeilen hat Dubai en masse produziert in den vergangenen Jahren. Aber sintflutartige Regenfälle waren noch nie ein Thema im Wüstenemirat. Bis zu dieser Woche.

DER SPIEGEL

Tiefschwarz verdunkelte sich am Montagabend der Himmel über der sonst staubtrockenen Millionenmetropole. Und dann regnete es, regnete es, regnete es: mehr als je zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1949.

164 Liter Regen pro Quadratmeter fielen am Internationalen Flughafen von Dubai laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) von Montag bis Mittwoch, das Gros davon am Dienstag. Das war mehr als eineinhalb mal so viel Niederschlag, wie in Dubai sonst durchschnittlich in einem gesamten Jahr gemessen wird. Es hagelte und stürmte fast wie an der Nordsee im zweitgrößten Emirat der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), mindestens ein Mensch kam landesweit ums Leben. Im Nachbarstaat Oman starben mindestens 19 Menschen.

Ist das noch normal, bloß eine Wetterlaune? Eine Folge des Klimawandels? Oder war die Regenwalze das Resultat menschlicher Wettermanipulation? Dieser Verdacht kursiert im Netz. Demnach könnte eine staatliche Institution der Vereinigten Arabischen Emirate das Regenchaos ausgelöst haben: durch sogenanntes Cloud Seeding. So jedenfalls mutmaßte es ein lokaler Meteorologe gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg .

Bei diesen »Wolkenimpfungen« werden Chemikalien wie etwa Silberjodid mit Flugzeugen oder Ballons in Wolken ausgebracht, um Regen zu erzeugen. Diese Partikel sollen als Kondensationskeime dienen, um sie herum soll sich Feuchtigkeit aus der Wolke ansammeln – und große Wassertropfen bilden, die dann als Niederschlag zu Boden fallen.

Schon in den 1940er-Jahren wurde diese Methode entwickelt; immer wieder haben Staaten sie angewendet. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate betreiben seit 2002 Cloud Seeding. Doch bis heute ist umstritten, wie wirksam und zielgenau das ist. Schließlich sind Wolken komplexe Gebilde, in denen sich ständig die Bedingungen verändern.

Haben die Vereinigten Arabischen Emirate kurz vor den immensen Regenfällen Wolken geimpft? So berichtete es jedenfalls der Meteorologe Ahmed Habib. Er erklärte am Dienstag gegenüber Bloomberg, das Nationale Zentrum für Meteorologie des Golfstaates (NCM) habe am Montag und Dienstag Flugzeuge zum Cloud Seeding eingesetzt. Seine Aussage ging viral.

Das NCM dementierte. Erst ließ die Institution verlauten, man habe am Dienstag keine Flugzeuge eingesetzt. Später erklärte ein hoher Funktionär gegenüber dem US-Sender CNBC, man habe gar keine Wolkenimpfungen vor dem Extremwetterereignis vorgenommen.

»Sie benötigen eine Wolke«

Auch viele Wetterexperten und Klimaforscher bezweifeln, dass Cloud Seeding für den Extremregen verantwortlich war. »Schon am Freitag vergangener Woche haben die Modelle sehr starke Niederschläge für die Region vorhergesagt: Bis zu 150 Liter, lokal 250 Liter pro Quadratmeter«, sagt der Klimatologe Andreas Walter vom Deutschen Wetterdienst im Gespräch mit dem SPIEGEL.

Friederike Otto, Professorin am Grantham Institute des Imperial College London, nennt es »irreführend«, sich auf Cloud Seeding zu fokussieren: »Wenn wir über schwere Regenfälle sprechen, müssen wir über den Klimawandel sprechen.« Man könne »keine Wolke und keinen Regen aus dem Nichts erschaffen«, schreibt Otto dem SPIEGEL. »Sie benötigen eine Wolke.« Und die bilde sich ohnehin, bevor es regnet. »Man kann nur eine bestehende Wolke dazu überreden, vielleicht ein bisschen früher abzuregnen.« Aber man könne per Cloud Seeding nicht »eine kleine Kumuluswolke in ein gewaltiges Gewitter verwandeln«.

Autos fahren am 16. April durch eine überflutete Straße in Dubai

Autos fahren am 16. April durch eine überflutete Straße in Dubai

Foto: Abdel Hadi Ramahi / REUTERS

Dass sich über Dubai und anderen Gebieten am Persischen Golf so viele Wolken mit so viel Inhalt ballten, war außergewöhnlich. Laut Suzanne Gray, Professorin für Meteorologie der britischen University of Reading, deuten Satellitenbilder darauf hin, dass sich mehrere Gewitter zu einem großen Gewitterkomplex zusammengeschlossen hatten: einem sogenannten mesoskaligen konvektiven System. »Eine ganze Reihe von Tiefdruckgebieten ist von Nordwesten her in die Golfregion heruntergezogen«, sagt auch DWD-Experte Walter. Dies sei unüblich für diesen Teil der Welt.

Skyline im Gewitter: Dubai am vergangenen Dienstag

Skyline im Gewitter: Dubai am vergangenen Dienstag

Foto: Rula Rouhana / REUTERS

Durch den Klimawandel könnte sich dies Otto zufolge aber ändern: »Jüngste Studien auf der Arabischen Halbinsel deuten darauf hin, dass mit der Erwärmung der Welt eine Zunahme extremer Niederschläge zu erwarten ist.« Dies stehe auch anderen Weltregionen bevor, »weil wärmere Luft mehr Feuchtigkeit speichern kann«.

Hinzu kommt, dass die Meeresoberflächentemperatur gerade auf der Nordhalbkugel seit Monaten höher ist als je zuvor seit Beginn der Messungen – womöglich auch aufgrund des Klimawandels. »Dadurch verdunstet mehr Wasser, entsprechend mehr Wasserdampf ist in der Atmosphäre«, sagt Walter. Auch der gewaltige Ausbruch des Unterwasservulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai im Jahr 2022 habe »immense Mengen Wasserdampf in die Atmosphäre eingebracht«.

Diese Effekte könnten auch zu anderen Extremwetterereignissen beigetragen haben, allen voran den verheerenden Überflutungen in Griechenland und Libyen im vergangenen September.

Ob die Vereinigten Arabischen Emirate vor den Wolkenbrüchen in Dubai Wolken geimpft haben, ist ungewiss. Klar ist: So heftig diese Regenfälle waren – in anderen Ländern der Region wie Oman oder Iran waren sie mancherorts noch heftiger. Und dort lassen sie sich kaum mit Cloud Seeding der Vereinigten Arabischen Emirate erklären.