Alexander Zverev in München:"In solchen Bedingungen kann ich das Turnier nicht gewinnen"

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Gestresst: Alexander Zverev in seinem Viertelfinalmatch. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

Alexander Zverev scheitert bei den BMW Open am Chilenen Cristian Garín - und macht das Wetter für sein Viertelfinal-Aus verantwortlich.

Von Gerald Kleffmann

Mal angenommen, jemand wäre noch nie bei einem Tennisturnier gewesen und schaute zufällig an diesem Freitag auf der Anlage des MTTC Iphitos vorbei, er dürfte sich darüber wundern, wie Zuschauer in diesem Sport aussehen. Einige steckten in schlafsacklangen Daunenmänteln, oben schauten Köpfe raus, samt den roten Mützen drängte sich das Bild sitzender Hotdogs auf. Andere gewannen auch keine Schönheitspreise, etwa jene Besucher, die wie Wissenschaftler im Labor folienartige Umhüllungen trugen. Mancherorts glänzten Thermodecken, die Menschen auf den Center Court mitgebracht hatten. Wollten sie später noch zum Polarkreis aufbrechen?

Die am Tennis interessierten Bürger in München, von denen es ja nicht so wenige gibt, wunderten sich indes natürlich über gar nichts. Die Zuschauer am Rande des Englischen Gartens sind Profis. Sie wissen, was sie erwartet. Denn so sicher, wie das Glockenspiel im Rathaus am Marienplatz täglich zu bestaunen ist und der Wallner Ludwig an der Großmarkthalle die besten Weißwürste hat, so sehr gehört zu den alljährlichen BMW Open schlechtes Wetter.

Diese Woche machte da keine Ausnahme, es herrschte sogar prächtiges schlechtes Wetter, weshalb Patrik Kühnen, der langjährige Turnierdirektor, mit einem Lächeln befand: "Wir können mit Fug und Recht immer noch sagen: Wir haben das härteste Sandplatzturnier der Welt." Dieser schöne Werbespruch, aus der Not geboren, eben das Beste aus dem so oft launischen Wetter zu machen, existiert seit 2016; damals waren die Bilder, wie der frühere US-Open-Sieger Juan Martín del Potro im Schneegestöber trainierte, um die Tenniswelt gegangen.

Die Platzwarte des Turniers verdienen sich regelmäßig höchste Auszeichnungen

Das Klima spielte diesmal bereits seit dem Start des Turniers am vergangenen Samstag verrückt. Als die ersten Matches des Qualifikationswettbewerbes anstanden, glühte die Sonne, als herrsche Sommer. Dann kam der Temperaturabsturz, bis es schneite. Tatsächlich glich es einem Wunder, dass die meisten Partien an dem Kalendertag beendet wurden, an dem sie begonnen hatten. (Das Viertelfinale von Jan-Lennard Struff gegen den Kanadier Felix Auger-Aliassime wurde am Freitagabend beim Stand von 7:5, 3:1 aus Sicht des Deutschen wegen Dunkelheit abgebrochen.) Die Platzwarte des Turniers verdienen sich ohnehin regelmäßig höchste Auszeichnungen. Auch am Freitag, dem Tag der Viertelfinals, der von ausdauernd ekligem Nieselregen begleitet wurde, besserte sich die Lage nicht.

Taylor Fritz, der 26-Jährige aus dem sonnigen Kalifornien, war der Erste, der mit dem Briten Jack Draper auf den roten Ascheplatz musste. Als sich der Amerikaner nach einem hochklassigen Duell über 2:16 Stunden 4:6, 6:3, 7:6 (1) durchgesetzt hatte, brachte er seine Verwunderung über das Wetter zum Ausdruck. "Es waren harte Bedingungen, es war regnerisch, kalt, windig." Er überlegte kurz. Hatte er was vergessen? "Es hagelte", fiel ihm noch ein. Richtige Antwort.

Die Wetterkapriolen machten ihrem Namen wahrlich alle Ehre, einmal war es sogar vorgekommen, dass der Weltranglisten-15. bei Sonnenschein aufschlug - und denselben Ballwechsel bei blitzartig einsetzendem Nieselregen beendete. Mit berechtigtem Stolz meinte Fritz: "Ich habe mich durchgekämpft, ich hatte eine richtig gute Einstellung, ich wollte wirklich gewinnen." Zur Belohnung steht er an diesem Samstag zum zweiten Mal im Halbfinale des Turniers. Vergangenes Jahr war er in dieser Runde dem Niederländer Botic van de Zandschulp unterlegen.

Eine völlig andere Gemütslage offenbarte Alexander Zverev. Der Weltranglistenfünfte aus Hamburg mit Wohnsitz Monte-Carlo war danach dran und musste sich gleich zweier Gegner erwehren. Früh zeichnete sich ab, dass ihm nicht nur der Chilene Cristian Garín Probleme bereitete, sondern auch Richard Haigh aus England. Zverev, der 2017 und 2018 in München triumphiert hatte und zuversichtlich nach seinem Auftaktsieg gegen den Österreicher Jurij Rodionov gewesen war, mal wieder um den Titel mitmischen zu können, haderte zunächst mit seinem Spiel, dann mit Schiedsrichter Haigh, dann mit beidem. Nach seiner 4:6, 4:6-Niederlage gegen Garín, den Weltranglisten-106., der 2019 in München den Titel errungen hatte, gesellte sich das Wetter gar noch als Sündenbock hinzu.

"Ich versuche mein Spiel zu spielen, egal ob es sonnig ist oder regnet": Cristian Garín haderte nicht mit den Bedingungen. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

"In solchen Bedingungen kann ich das Turnier nicht gewinnen. Das ist einfach ein Fakt", stellte Zverev klar und führte aus, was er damit meinte: "Jede einzelne Sache, die ich gut mache normalerweise mit meinem Tennis, wird mir einfach weggenommen. Mein Aufschlag wird mir weggenommen. Meine Vorhand, die relativ hoch abspringt, wird mir weggenommen. Meine Rückhand, die durch den Platz geht und schnell ist und somit meinem Gegner Probleme macht, wird mir weggenommen. Das heißt: Ich habe keine Waffen, mit denen ich gewinnen kann." Dass es aber nicht völlig unmöglich war, gutes Tennis auch bei typischem BMW-Open-Wetter zu zeigen, hatte Garín bewiesen, der nach seinem Sieg sachlich erklärte: "Ich versuche mein Spiel zu spielen, egal ob es sonnig ist oder regnet. Ich versuche mein Spiel zu machen, aggressiv und konzentriert zu sein." Im Halbfinale steht auch Holger Rune, 20, aus Dänemark, der BMW-Open-Sieger der vergangenen zwei Jahre besiegte den Schweizer Marc-Andrea Huesler 6:4, 7:6 (3).

Für Zverev, der am Samstag 27 Jahre alt wird, geht es nun beim Masters-Turnier in Madrid weiter, dort immerhin dürfte er ein Klima vorfinden, das ihm genehmer ist, er rechnet sich in Spanien wieder Titelchancen aus. Ganz anders als bei den zukünftigen BMW Open, wie er prophezeite: "Ich liebe München, aber ich sag' mal so: Wenn wir in den nächsten Jahren bei vier Grad und Regen und Wind spielen werden, würde ich davon ausgehen, dass ich das Turnier nicht wieder gewinnen werde. Wenn es wie letzte Woche 25 Grad sind und Sonnenschein, dann schon." Das härteste Sandplatzturnier der Welt, es hat offenbar ein neues Opfer gefunden.

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