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Verdacht auf russische Geldzahlungen Videoaufnahmen sollen AfD-Politiker Bystron belasten

Die tschechischen Behörden haben nach SPIEGEL-Informationen Videoaufnahmen, auf denen AfD-Funktionär Petr Bystron Pakete entgegennimmt. Weitere Indizien deuten darauf hin, dass er Geld aus moskautreuen Kanälen bekam.
AfD-Politiker Bystron: Heimliche Videoaufnahmen aus Prag

AfD-Politiker Bystron: Heimliche Videoaufnahmen aus Prag

Foto:

Metodi Popow / IMAGO

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Der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron ist des Öfteren zu Besuch in seinem Geburtsland Tschechien. So weilte er nach Erkenntnissen der Behörden auch am 9. Oktober und am 12. Dezember vergangenen Jahres in der Hauptstadt Prag, genauso wie am 18. Februar dieses Jahres. Bei allen drei Besuchen soll Bystron, der auf Platz zwei der Liste seiner Partei zur Europawahl steht, den Geschäftsmann Artem Martschewskyj getroffen haben.

Martschewskyj soll nach Erkenntnissen tschechischer Sicherheitsbehörden das Internetportal »Voice of Europe« operativ geleitet haben. Die Prager Regierung hatte Ende März sowohl »Voice of Europe« als auch Martschewskyi und den mutmaßlichen Hintermann der Einflussoperation, den prorussischen Ex-Politiker und Freund von Wladimir Putin, Wiktor Medwedtschuk, auf ihre Sanktionsliste gesetzt.

Mindestens 500.000 Euro an kremlfreundliche Politiker

Der Grund: Über die Website von »Voice of Europe« und ihre sozialen Kanäle wurden prorussische Propaganda und Desinformation in 16 Sprachen verbreitet. Außerdem soll mithilfe des Unternehmens kremlfreundlichen Politikern in der EU Geld zugeflossen sein. Von mindestens 500.000 Euro geht der tschechische Sicherheitsinformationsdienst (BIS) aus, der gemeinsam mit anderen europäischen Nachrichtendiensten die Einflussoperation aufgedeckt hat.

Seitdem die tschechische Regierung kurz vor Ostern darüber berichtet hat, steht Bystron im Verdacht, Geld genommen zu haben. Der AfD-Politiker bestritt die Vorwürfe, nun aber verdichten sich die Hinweise auf mögliche Geldübergaben.

So hat der tschechische Nachrichtendienst BIS nach SPIEGEL-Informationen Bystrons Begegnungen mit Martschewskyj im vergangenen Jahr heimlich per Video aufgezeichnet. Auf den Aufnahmen ist nach Angaben mehrerer mit dem Fall vertrauten Personen zu sehen, wie Bystron von Martschewskyj kleine Pakete erhält. In den Auswertungspapieren ist jeweils von einem »unidentifizierbaren Gegenstand« die Rede.

»Bystron raschelt mit Geld«

Zusätzliche Audioaufnahmen sollen nahelegen, dass in den Paketen Geld war. Bei dem Termin im Februar dieses Jahres ist nach Angaben mehrerer Nachrichtendienste außerdem eine gemeinsame Autofahrt Bystrons mit Martschewskyj observiert worden.

Von zwei Audioaufnahmen, auf denen offenbar Bystron zu hören ist, berichteten am Freitag die tschechische Tageszeitung »Deník N«, das ARD-Politikmagazin »Kontraste« und »Die Zeit« gemeinsam. Demnach sollen Parlamentariern in Prag, die für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständig sind, mehrere Tonaufnahmen vorgespielt worden sein. Ein tschechischer Abgeordneter, der die Mitschnitte kennt, sagte demnach: »Bystron raschelt auf der Aufnahme mit Geld und zählt es.«

Nach Angaben der drei Medien war Bystron bei jenen Terminen auch in den Räumen von »Voice of Europe« zu Gast. Bei einem Gespräch soll er mit Martschewskyi darüber geredet haben, dass dessen Netzwerk Mitarbeiter von Politikern im Europäischen Parlament bezahlen solle. Um welche Politiker es dabei gehen soll, gehe aus den Aufnahmen nicht hervor.

AfD-Europapolitiker Krah: Vom FBI befragt

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Foto: Clemens Bilan / EPA

Über die Existenz belastender Audioaufnahmen hatten der SPIEGEL und »Deník N« Anfang April erstmals berichtet. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat gegen Bystron inzwischen Vorermittlungen wegen möglicher Bestechlichkeit von Mandatsträgern aufgenommen.

Auf Anfragen des SPIEGEL reagierten Bystron und Martschewskyj zunächst nicht. Auf Anfrage der »Zeit« wich Bystron erst aus, bestritt dann eine Geldübergabe, beantwortete schriftliche Fragen aber nicht.

Nach Veröffentlichung behauptete Bystron gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: »Hier wird lediglich versucht, alten Kaffee nochmal aufzubrühen, um die Kampagne gegen die AfD bis zur EU-Wahl in den Medien halten zu können«. Er habe sich zu allem bereits geäußert, es gebe keinen Grund, das Spiel des Gegners mitzuspielen, so Bystron.

»Unbegründete Anschuldigungen«

Martschweskyi hatte dem Medium mitgeteilt, in einem »kameradschaftlichen« Verhältnis zu Bystron zu stehen, man habe aber weder über Geld gesprochen noch sei es überreicht worden. Er sprach von »unbegründeten Anschuldigungen«.

Die AfD hatte Bystron vor anderthalb Wochen in einer Bundesvorstandssitzung befragt und sich anschließend hinter ihn gestellt: »Zum jetzigen Zeitpunkt muss der Bundesvorstand von der Unschuld Herrn Bystrons ausgehen.« Die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla forderten, dass der tschechische BIS die Audioaufnahme oder entsprechende Abhörprotokolle herausgeben solle. Dies wäre jedoch absolut unüblich.

Auf Anfrage des SPIEGEL sagte Weidels Sprecher Daniel Tapp nun: »Die aktuelle Entwicklung wird selbstverständlich genau betrachtet.« Widersprüchliche Darstellungen müssten geklärt werden. Und: »Der Bundesvorstand wird sich deshalb mit den neuerlichen Anwürfen intensiv auseinandersetzen.«

Auf der Internetseite »Voice of Europe« waren zahlreiche Interviews mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Politikern zu finden – darunter neben Bystron auch mit dem AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah.

Auch die Behörden in Belgien interessieren sich inzwischen für den Fall. Die Nachrichtendienste hätten »die Existenz prorussischer Einmischungsnetzwerke mit Aktivitäten in mehreren europäischen Ländern und auch hier in Belgien bestätigt«, sagte Regierungschef Alexander De Croo. Das Ziel Moskaus sei klar – russlandtreue Kandidaten in das Europäische Parlament wählen zu lassen. Die belgische Justiz ermittelt.

Das Propagandamedium »Voice of Europe« war zwischenzeitlich offline. Inzwischen operiert die Plattform auf einem Server außerhalb der EU.