Krach um die „Wirtschaftswende“ Und wo ist Ihr Fingerspitzengefühl, Herr Kühnert?

Quelle: imago images

Die FDP verabschiedet ein Programm zur „Wirtschaftswende“ und SPD-Generalsekretär Kühnert warnt vor Investmentbanker-Mentalität. Das ist absurd: Die SPD selbst setzt die Zukunft des Standorts auf Spiel. Ein Kommentar.

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Es ist ein bemerkenswerter Satz, mit dem Kevin Kühnert reflexartig auf die FDP-Pläne für eine „Wirtschaftswende“ reagiert: „Die SPD lässt nicht zu, dass unser Land mit dem Fingerspitzengefühl von Investmentbankern geführt wird.“ Danke SPD, dann ist Deutschland ja gerettet? Von wegen.

Wenn sich der Generalsekretär mit Zocker-Mentalität beschäftigten will, sollte er lieber im eigenen Programm nachschauen: bloß keine strengeren Sanktionen für arbeitsfähige Bürgergeld-Empfänger, keine Rücknahme der Rente mit 63 und erst recht keine Steuersenkungen – mit diesem Beharrungsvermögen sind es doch die Sozialdemokraten selbst, die ins volle Risiko gehen und die Zukunft des Standorts aufs Spiel setzen.

Mehr Investmentbanker-Mentalität wagen

Niemand fordert einen Kasino-Kapitalismus, aber es wäre wünschenswert, wenn Deutschland mehr Investmentbankertum wagen würde. Wer in der Branche erfolgreich sein will, muss nämlich zuallererst eines tun: sich mit Zahlen und Prognosen beschäftigen – und die sehen für die Bundesrepublik gar nicht gut aus.

2023 ist Deutschland als einziges Industrieland geschrumpft, für 2024 haben die führenden Wirtschaftsinstitute ihre Wachstumsprognose nach unten korrigiert auf 0,1 Prozent. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) musste seine Vorhersage aus dem Januar um 0,3 Prozentpunkte nach unten korrigieren auf eine Wachstumsprognose von 0,2 Prozent. Für 2025 sagt der IWF Deutschland zwar ein Plus von 1,3 Prozent voraus – aber im Kreis der wichtigsten Volkswirtschaften dürfte Deutschland damit immer noch am schlechtesten abschneiden.

„Deutschland bleibt weit unter den Möglichkeiten“

Auf der am Montag eröffneten Hannover Messe stellt die deutsche Industrie zwar ihre Leistungsfähigkeit und Innovationskraft aus, doch von ihren Wachstumsplänen profitieren vor allem andere, zeigt eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) Köln. 116 Milliarden Euro sind von deutschen Unternehmen demnach 2023 ins Ausland geflossen, ausländische Unternehmen haben hierzulande dagegen nur rund 22 Milliarden Euro investiert – so wenig wie seit zehn Jahren nicht mehr.

„Deutschland bleibt weit unter den Möglichkeiten“, mahnte gerade erst BASF-Chef Martin Brudermüller im Interview mit dem „Handelsblatt“. Deutschland brauche eine neue Industriepolitik, die die Wirtschaft zukunftsfähig macht.  

Die größte Wachstumsbremse lösen

Mit dem Zwölf-Punkte-Programm, das die FDP am Montag im Präsidium verabschiedet hat, wollen die Liberalen den Standort Deutschland wieder attraktiver machen. Sie adressieren unter anderem den Fach- und Arbeitskräftemangel, der als größte Wachstumsbremse gilt. 

Diesmal fordert die FDP lautstark, Frührenten deutlich einzuschränken. Ist der vorzeitige Rentenstart ein Auslaufmodell? Wer früher in Rente will, der sollte jetzt die Weichen dafür stellen.
von Niklas Hoyer

Die FDP will beispielsweise das Bürgergeld reformieren, die Rente mit 63 abschaffen und steuerliche Vorteile für Überstunden bieten, dazu sollen Unternehmen entlastet werden, etwa durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlags – sicher, einige der Punkte dürften so kaum zu realisieren sein, schon allein aufgrund der klaren Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Bürgergeld.  

Die beste Sozialpolitik? Kluge Wirtschaftspolitik

Und freilich ist das Zwölf-Punkte-Programm als Aufschlag gesetzt zum FDP-Parteitag am Wochenende, den Europawahlen am 9. Juni und den beginnenden Haushaltsverhandlungen der Koalition. Dazu muss FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner in der Wählergruppe wieder punkten angesichts der schlechten Umfragewerte von um die fünf Prozent.

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Aber wenn SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nun vor Investmentbanker-Mentalität warnt und SPD-Co-Chef Lars Klingbeil fürchtet, dass es „Handwerkern, Krankenschwestern oder Erzieherinnen schlechter geht“ mit den FDP-Plänen, dann irren sie gewaltig. Denn die beste Sozialpolitik ist noch immer: eine kluge Wirtschaftspolitik.

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