Plan für „Wirtschaftswende“ :
Die Kampfansage der FDP

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Wollen die Wende: Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Bijan Djir-Sarai, beide FDP, am Montag in Berlin
Bürgergeldreform oder keine Rente mit 63 mehr: Die Liberalen skizzieren, wie sie sich eine „Wirtschaftswende“ vorstellen – wenn nur nicht die SPD und Grüne wären.

Die FDP produziert ein „Wirtschaftswende“-Papier nach dem anderen – ganz so, als ob es die jüngst von ihr vorgeschlagene Steuerprämie für Mehrarbeit längst gäbe. Vor zwei Wochen wurden die ersten fünf Punkte bekannt, mit denen sich Arbeit und Leistung wieder mehr lohnen sollen. Am Montag beschloss das Präsidium nun einen Zwölfpunkteplan. Und auf dem Parteitag am kommenden Wochenende werden die Delegierten über einen Leitantrag diskutieren, der Wachstum, Innovation und Aufstiegschancen Priorität zumisst.

Der jüngste Präsidiumsbeschluss baut auf den früheren Papieren auf. Bürgergeldempfänger sollen zumutbare Arbeitsangebote annehmen, selbst Ein-Euro-Jobs. Sonst müssen sie mit einer Leistungskürzung von 30 Prozent rechnen. Den vorzeitigen Rentenbeginn für besonders langjährig Versicherte will die FDP abschaffen. „Angesichts des Fachkräftemangels können wir uns die sogenannte Rente mit 63 nicht leisten.“

Den Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung will die FDP nach Erreichen der Regelarbeitsgrenze streichen. Wenn der Beschäftigte nicht freiwillig länger in die Rentenversicherung einzahlen möchte, soll auch der Arbeitnehmerbeitrag entfallen. Auch der jüngste Vorstoß von FDP-Fraktionschef Christian Dürr findet sich in dem Papier: „Wer mit 72 noch arbeiten möchte, soll dies unter attraktiven Bedingungen auch machen können.“

Ein liberaler Klassiker

Der liberale Klassiker ist der Ruf nach einer Steuerentlastung. Der Solidaritätszuschlag soll in zwei Stufen fallen, erst auf 3 Prozent, 2027 dann auf null. Zudem soll es Steuervorteile für Überstunden geben sowie eine regelmäßige Anpassung des Steuertarifs und der Freibeträge an die Inflation. Und Unternehmen sollen Investitionen schneller beim Finanzamt geltend machen können. Vergleichsweise neu ist die Forderung nach dem „schnellstmöglichen“ Ende der Förderung von erneuerbaren Energien. Bislang waren dies nur Einzelstimmen aus der Fraktion.

Beim Koalitionspartner SPD schaltete die Ampel nach dem FDP-Beschluss sofort auf Rot. Den Auftakt im Protestreigen machte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich. Für ihn ist die FDP „nicht auf der Höhe der Zeit“, ihre Forderungen nannte er „ein Überbleibsel aus der Mottenkiste“. SPD-Chef Klingbeil sagte der „Bild“-Zeitung: Wenn die FDP glaube, „dass es der Wirtschaft besser geht, wenn es Handwerkern, Krankenschwestern oder Erzieherinnen schlechter geht, dann irrt sie gewaltig“. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert gab im Berliner „Tagesspiegel“ die Parole aus, seine Partei werde nicht zulassen, „dass unser Land mit dem Fingerspitzengefühl von Investmentbankern geführt wird“.

Auffällig war, dass die Grünen sich am Montag mit Kritik zurückhielten. Zwar äußerte sich Außenministerin Annalena Baer­bock auf Nachfrage, verzichtete aber auf ähnliche scharfe Worte wie die SPD. Die Weltlage sei turbulent, Autokratien wollten Demokratien destabilisieren, sagte sie. Deswegen brauche es „gerade in solchen Momenten, gerade vor der Europawahl, Geschlossenheit zwischen (...) allen demokratischen Akteuren in unseren Gesellschaften“.

Auf Plattformen wie X, wo in den vergangenen Wochen teils hitzig über die Kindergrundsicherung oder die von Verkehrsminister Volker Wissing angedrohten Fahrverbote diskutiert wurde, war von grüner Seite zum FDP-Papier wenig zu lesen. „Unsere Position in diesen Fragen ist sonnenklar“, sagte die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge auf Anfrage der F.A.Z. „Aber die Ampel streitet echt genug. Wir Grünen wünschen uns da eine andere Ernsthaftigkeit.“

Handwerkspräsident Jörg Dittrich lobte die FDP: „Der Impuls, den die Freien Demokraten jetzt gesetzt haben, bringt hoffentlich eine konstruktive Debatte ins Laufen“, sagte er. Bankenverbandspräsident Christian Sewing wollte das Papier und das Erscheinungsbild der Ampelkoalition auf Nachfrage nicht kommentieren. Nach Ansicht von BDI-Chef Siegfried Russwurm braucht es mehr Reformen, um den Industriestandort zukunftsfest zu machen.

Der Ökonom Jens Südekum, der zum Beraterkreis von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zählt, spekulierte über ein vorzeitiges Ende der Ampel. Es sei „sicher nicht zu früh, über die Option einer rot-grünen Minderheitsregierung, die gemeinsam mit der Union die Reform der Schuldenbremse und den Haushalt 2025 durchzieht, nachzudenken“, schrieb er auf X. Anders als einige CDU-Ministerpräsidenten ist die Unionsfraktion jedoch gegen die Änderung der Schuldenbremse.