Eiskalte Abfuhr beim Mittagessen: „Das Vertrauen ist zerstört“

Wie der reichste Deutsche Benkos Reich zusammenbrechen ließ

Mit dieser E-Mail zog Benko-Investor Klaus-Michael Kühne (86) die Reißleine (Quelle: Kronen Zeitung)

Mit dieser E-Mail zog Benko-Investor Klaus-Michael Kühne (86) die Reißleine (Quelle: Kronen Zeitung)

Foto: privat

Eine Geste, so eisig wie das Wasser der Hamburger Außenalster.

Am 1. Dezember 2022 trifft sich Immobilien-Mogul René Benko (46) mit Deutschlands reichstem Mann, Multimilliardär Klaus-Michael Kühne (86, laut „Forbes“ rund 37 Milliarden Euro schwer).

Doch das Treffen im Luxushotel „The Fontenay“ (gehört Kühne) endet abrupt – der Logistik-Unternehmer verlässt den Tisch! Benko bleibt ratlos zurück.

Die Szene ist ein Höhepunkt im neuen Buch „Inside Signa – Aufstieg und Fall des René Benko“, das BILD vorliegt und unveröffentlichte Details zum Pleite-Sumpf der Signa-Gruppe enthält.

„Es tut mir leid – das Vertrauen ist zerstört“, wird Kühne demnach später in einer E-Mail schreiben. Er fordert die Rückabwicklung seiner Beteiligung an Benkos Luxusimmobilienfirma Signa Prime Selection, an der er seit Sommer 2020 mit rund zehn Prozent beteiligt ist.

Benko, der dringend frisches Geld benötigt, steht damit am Abgrund. Kühne, bekannt als harter Investor, hat offenbar nicht die Antworten bekommen, die er gesucht hat. Er zieht die Reißleine.

BILD dokumentiert, wie dieser wichtige Moment im Buch-Kapitel „Der Anfang vom Ende“ geschildert wird.

Klaus-Michael Kühne investierte in Benkos Luxusimmobilienfirma. Zwei Jahre später stieg er aus

Klaus-Michael Kühne investierte in Benkos Luxusimmobilienfirma. Zwei Jahre später stieg er aus

Foto: imago/Oliver Ruhnke

Auszug aus dem Buch-Kapitel „Der Anfang vom Ende“

„Wann beginnt das Ende? Das ist nicht immer so einfach zu beantworten. Im Fall Signa könnte allerdings der 1. Dezember 2022 den Anfang vom Ende markieren.

Schon länger weht Benko ein eisiger Wind ins Gesicht. Der graue Dezembertag beginnt für ihn noch ruhig und routiniert in Zürich. Die Nacht verbrachte er wie gewohnt in der diskreten Zürcher Luxusherberge Baur-au-Lac, die 2015 für internationale Schlagzeilen gesorgt hatte, weil dort führende Funktionäre des Fußballweltverbandes FIFA wegen Korruptionsverdachts unter dem Blitzlichtgewitter der Reporter abgeführt worden waren.

Auf 240 Seiten zeichnen die Autoren Rainer Fleckl und Sebastian Reinhart die größte Pleite in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte nach

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Foto: Edition a

Im Baur-au-Lac ist Benko Stammgast. Nach einem schnellen Espresso mit einem seiner verschwiegenen Schweizer Investoren besteigt Benko seine Global 700 und hebt Richtung Hamburg ab. Mit an Bord: Karl Gernandt. Der erfahrene deutsche Manager gehört zu den engsten Vertrauten von Klaus-Michael Kühne. Kühne, ein rüstiger Kaufmann mit Mitte 80, zählt mit einem geschätzten Vermögen von 37 Milliarden Euro zu den reichsten Deutschen. Er hält die Mehrheitsanteile an Kühne+Nagel und verfügt über nennenswerte Beteiligungen an Lufthansa und Hapag-Lloyd.

Seit knapp zwei Jahren ist Kühne bei Benkos Signa-Flaggschiff Prime Selection AG als Investor an Bord. Und Karl Gernandt sitzt dort im Auftrag von Kühne im Aufsichtsrat. Er ist das Auge und das Ohr des Multimilliardärs. Doch jetzt hat Kühne Benko in seiner Heimatstadt Hamburg zum Rapport zitiert.

Nach der Landung am Hamburger Flughafen im Stadtteil Fuhlsbüttel geht es für Benko und Gernandt direkt an die noble Hamburger Außenalster. Am westlichen Ufer, eingebettet in eine grüne Parklandschaft, steht das Luxushotel ‚The Fontenay‘, ein moderner Fünf-Sterne-Komplex mit ausgefallener, wellenartiger Architektur und breiter Glasfront. Hier erwartet Kühne, nebenbei auch Inhaber des Fontenay, Benko und Gernandt.

Zwischen 13 und 15 Uhr ist ein leichtes Mittagessen zwischen den drei Herren vereinbart. Der persönliche Austausch mit Kühne ist Benko wichtig. Sehr wichtig sogar.

Bei Kühne muss er performen, darf keine Schwächen zeigen und muss plausibel machen, dass das Signa-Schiff in ruhigen Gewässern und ganz nach Kühnes Geschmack auf ordentliche Renditen zusteuert. Trotz seines hohen Alters schont Kühne weder sich noch andere. Das weiß Benko. Er glaubt, darauf vorbereitet zu sein. Zumindest in der Theorie.

Die Realität ist eine andere. Das Mittagessen im ‚The Fontenay‘ wird Benko so schnell nicht mehr vergessen. Kühne, im dunklen Anzug und mit fein säuberlich gebundener Krawatte, betritt das Restaurant mit Blick über die Alster.

Knappe Begrüßung. Kühne nimmt am Tisch von Benko und Gernandt Platz. Und dann passiert es.

Signa Prime ist Bauherr des Elbtowers (245 m) an den Hamburger Elbbrücken und Kühne somit Investor

Signa Prime ist Bauherr des Elbtowers (245 m) an den Hamburger Elbbrücken und Kühne somit Investor

Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Nur wenige Minuten nach Beginn des Gesprächs erhebt sich Kühne plötzlich vom gedeckten Tisch. Eiskalt lässt er Benko sitzen. Beim Mittagessen im Hotel. Der kantige Kühne zeigt Benko die kalte Schulter. Das musste sich für Benko wie ein Kinnhaken anfühlen.

Der Signa-Erfinder, fassungslos und sichtlich konsterniert, ist für den Termin extra aus Zürich eingeflogen. Jetzt versteht er seine Welt nicht mehr, auch wenn diese – wie sich bald herausstellen sollte – mehr Schein als Sein beinhaltet. Aber das hat Benko längst verdrängt. Nach einer Weile ergreift er die Initiative, er muss herausfinden, was genau den Hamburger Kühne zu diesem scheinbaren Affront bewogen hat.

Um 13.22 Uhr tippt der aufgeregte Benko auf seinem Smartphone ein E-Mail direkt an Kühne. In der Betreffzeile steht vielsagend: „bin ratlos“. . .

Eine Reaktion von Kühne? Bleibt aus. Doch Benko kann das nicht auf sich sitzen lassen. Er weiß genau, dass er alles daransetzen muss, die Sache so rasch wie möglich wieder unter Kontrolle zu bringen.

Wäre das Tischtuch zwischen ihm und Klaus-Michael Kühne tatsächlich zerschnitten, dann könnte sich aus dem vorläufigen Funkenflug zweier Unternehmer ein regelrechter Flächenbrand entwickeln.

Er bleibt hartnäckig. Er bettelt. Will unbedingt verstehen, was los ist. Und setzt um 13.50 Uhr noch mal schriftlich nach:

Nach zwanzig Minuten, die sich für Benko wie eine Ewigkeit angefühlt haben müssen, bekommt er eine Antwort. Und die hat es in sich. Kühne schickt um 14.11 Uhr eine Nachricht an Benko. In Kopie setzt der knallharte Milliardär mit offenem Visier seine wichtigsten Mitarbeiter in der Kühne Holding. Und eine Rechtsanwaltskanzlei.

Das Worst-Case-Szenario ist eingetreten. Kühne will raus aus der Signa.

Mit dem Entzug seines Vertrauens beginnt für Benko ein Wettlauf mit der Zeit. Denn eigentlich braucht er dringend frisches Geld. Seit Monaten ist er auf der Suche. Kühne gilt als harter Hund, als ein Investor, der sich für seine Investments im Detail interessiert. Der präzise Fragen stellt. Der schlüssige Antworten haben will. Aber Benko wollte ihn unbedingt an Bord haben.

Mit Kühne bekam er ein unternehmerisches Aushängeschild. Doch das hat seinen Preis. Kühne stellte ihm jene Fragen, auf die er wohl nicht die passenden Antworten gefunden hat. Dann zog der hemdsärmelige Hamburger die Reißleine.“

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