Overtourism in Venedig „Der Eintritt für Venedig wird nahezu irrelevant sein“

An 29 Tagen müssen Tagestouristen in Venedig in diesem Jahr Eintritt bezahlen. Quelle: Christoph Sator/dpa

Enge Gassen und Gondelfahrten: Touristen aus aller Welt reisen nach Venedig. Doch bei den Einwohnern sorgt das für Unmut. Die Stadt reagiert – und nimmt nun Eintritt. Ein Tourismus-Experte erklärt die Folgen.

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WirtschaftsWoche: Die italienische Kanalstadt Venedig kämpft gegen den sogenannten Overtourism. Warum ist das Thema dort so präsent?
Moritz Lindner: Zum einen hängt es sehr viel von den lokalen Spezifikationen ab, also vom Aufbau der Stadt. Enge Gasse tragen dazu bei, dass eine Region überfüllt wirkt, während sich die Menschen an weitläufigen Küsten besser verteilen. Aber auch die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Tourismus spielt eine Rolle: Ist der Tourismus ein wichtiger Aspekt der Wirtschaftskraft, dann wird er positiv wahrgenommen und Overtourism steht weniger auf Agenda.

Venedig verlangt nun von Tagestouristen fünf Euro Eintritt – allerdings erstmal nur für 29 Tage in diesem Jahr. Wieso kassiert die Stadt nur bei Tagestouristen ab?
Overtourism hat auch immer etwas mit der Wertschöpfung zu tun. Bringen die Menschenmassen keinen wirtschaftlichen Mehrwert, gibt es für die Einwohner nur Nachteile. Tagestouristen lassen üblicherweise weniger Geld in der Stadt. Die Wertschöpfung ist also geringer als bei längeren Aufenthalten.

Welche Folgen wird der Eintrittspreis für Venedig haben?
Ich denke, der Eintritt wird nahezu irrelevant sein. Denn bei den Tagestouristen in Venedig sprechen wir im Großen und Ganzen von Reisegruppen, die mit dem Bus oder dem Kreuzfahrtschiff unterwegs sind. Der Ausflug nach Venedig ist also in dem Fall ein Teil des Pakets. Im sehr niedrigen Niveau fangen die Busreisen bei 200 bis 300 Euro an und Kreuzfahrten gehen hoch in den fünfstelligen Bereich. Fünf Euro fallen dabei nicht mehr stark ins Gewicht. Mir hat noch nie jemand gesagt: „Ich mach eine Reise nicht, weil es eine City Tax oder irgendeine Tourismusgebühr gibt.“

Moritz Lindner. Quelle: PR

Zur Person

Also kein Ende des Overtourism in Venedig?
Es ist eher eine Zweckmaßnahme. Die Stadt will zeigen, dass sie etwas unternimmt. Die Maßnahmen sind aber halbherzig, da der Tourismus eine wichtige Wertschöpfungsquelle ist.

Was wären denn sinnvolle Maßnahmen?
Teilweise hat Venedig bereits sinnvolle Maßnahmen ergriffen, etwa mit Blick auf die Zahl der Kreuzfahrtschiffe, die in der Stadt anlegen dürfen. Diese könnte man recht einfach weiter reduzieren, wenn der Wille da wäre. Ähnliche Maßnahmen wären auch mit Blick auf Busreisen denkbar – das Beispiel der österreichischen Stadt Hallstatt zeigt das bereits gut. Dort dürfen Busse nur noch an einem Parkplatz außerhalb und nur sehr begrenzt zu bestimmten Uhrzeiten Halt machen.

Warum verschärft Venedig die Maßnahmen nicht? Es verlassen pro Jahr durchschnittlich 1000 Einwohner die Stadt. 2017 gab es bereits Proteste gegen die hohe Anzahl von Touristen.
Das ist eine hochkomplexe Frage. Auf der einen Seite müsste man die Beweggründe analysieren. Ziehen die Menschen weg, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können oder weil sie wirtschaftlich davon profitieren könnten, indem sie beispielsweise ihre eigene Wohnung verkaufen oder vermieten. Andererseits generiert Venedig durch sehr teure Restaurants und Hotels eine hohe Wertschöpfung. Der wirtschaftliche Nutzen von Tourismus ist also sehr hoch. Dementsprechend ist die Stadt auch auf die Urlauber angewiesen.

Woran machen Sie das fest?
Venedig gehört zu den reichsten Städten Italiens. Das Bruttoinlandsprodukt der Region wächst seit Jahren stetig. Und dass, obwohl die wirtschaftliche Struktur der Stadt mit Ausnahme des Tourismus vergleichsweise schwach ist.

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Venedig könnte die Eintrittspreise künftig erhöhen. Ist der Städtetrip nach Venedig irgendwann unbezahlbar?
In der Hauptsaison werden die Preise weiter steigen. Aber diesen Effekt werden wir auch in den anderen Hotspots wie Barcelona oder Paris erleben. In den Herbst- und Wintermonaten ist es leerer und die Preise fallen in diesen Zeiträumen moderater aus. Deshalb sollten sich Urlauber überlegen, lieber außerhalb der Saison zu fahren.

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