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Parteitag am Wochenende FDP erhöht den Einsatz im Koalitionspoker

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Lindner muss nach dem Zwölf-Punkte-Papier der FDP liefern.

Lindner muss nach dem Zwölf-Punkte-Papier der FDP liefern.

(Foto: dpa)

Am Samstag und Sonntag trifft sich die FDP zum Parteitag in Berlin - die Lage ist unverändert schwierig für die Liberalen. Das Zwölf-Punkte-Papier soll die Moral stärken und Grüne und SPD ärgern. Ob das gelingt?

Wie lange halten die Ampel-Koalitionäre noch durch? Ist es diesen Sommer vorbei, wenn die Haushaltsverhandlungen scheitern sollten? Diese Fragen werden den Parteitag der kleinsten Regierungspartei an diesem Wochenende mitbestimmen. Diese Geister hat die FDP selbst gerufen, allen voran ihr Vorsitzender Christian Lindner. In einer Flut von Interviews forderte der Finanzminister erst eine "Dynamisierung der Wirtschaft" und mittlerweile eine "Wirtschaftswende". Die Forderungen kulminierten im Zwölf-Punkte-Papier, das der Bundesvorstand am vergangenen Wochenende beschloss.

Darin geht es um den Bürokratie-Abbau, ein Moratorium für neue Sozialleistungen, die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle, ein Förderstopp für erneuerbare Energien und eine Abschaffung der Rente mit 63. Der Frage, was wäre, wenn SPD und Grüne nicht dabei mitziehen, weicht Lindner elegant aus. Unvorstellbar sei, dass nichts passiere, meint er dann. Schließlich habe ja auch Wirtschaftsminister Robert Habeck dringenden Handlungsbedarf erkannt.

Und wenn nicht? Was ist, wenn SPD und Grüne der FDP nicht entgegenkommen? Zerbricht dann die Ampel-Koalition? Immerhin gab es schon einmal einen ähnlichen Fall. Vor 42 Jahren: 1982 verließ die FDP die Koalition mit der SPD und bildete stattdessen eine Regierung mit der CDU, machte Helmut Kohl zum Bundeskanzler. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied zu heute. Heute haben CDU und FDP keine eigene Mehrheit. Von der einen Regierungskoalition in die andere hüpfen, wird der FDP also nicht noch einmal gelingen.

Für die Überzeugung ins Unbekannte springen

Lindner ist selbst nicht unschuldig daran, dass das Beispiel dennoch immer wieder hervorgekramt wird. So weist er zwar selbst auf Unterschiede zwischen heute und damals hin - äußert sich aber zugleich immer anerkennend für die damalige Führungsriege um Otto Graf Lambsdorff und Hans-Dietrich Genscher. Zum Beispiel erst vor einer Woche in der "Stuttgarter Zeitung": "Die FDP hat 1982 gezeigt, dass sie für ihre Überzeugungen eine Regierung verlässt und ins Unbekannte springt."

Wenn man es so dreht, klingt 1982 gar nicht so weit weg. Denn das könnte die FDP heute auch, trotz fehlender Koalitionsalternative. Lindner spricht es nicht so deutlich aus, aber seine Botschaft kann man so verstehen: Wenn die Überzeugungen der FDP sich nicht im Regierungshandeln wiederfinden, wäre sie bereit, wieder den Stecker zu ziehen. So wie damals.

Was die eigenen Überzeugungen sind, hat die FDP mit ihrem Zwölf-Punkte-Papier überdeutlich gemacht. Das schlug im politischen Berlin hohe Wellen. Für den SPD-Abgeordneten Helge Lindh klang das wie die "Austrittserklärung aus der Ampel". Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nannte das Papier die "Scheidungsurkunde der Ampel".

Ganz so dramatisch ist die Lage nicht. Ernst aber schon. Ein Blick auf die Umfragen reicht, um die Gefahr zu sehen, in der die FDP schwebt. Statt gut 11 Prozent wie nach der Bundestagswahl steht sie im Trendbarometer von RTL und ntv bei 5 und lag auch schon darunter. Würde morgen gewählt, müsste sie also um den Wiedereinzug ins Parlament zittern. In der Partei rumort es. Von der Unzufriedenheit an der Basis zeugte die Mitgliederbefragung zum Verbleib in der Ampel nach Weihnachten, die knapp pro Ampel ausging.

Selbstmord aus Angst vor dem Tod?

Vielen Anhängern und Mitgliedern stößt auf, dass die FDP sich mit linken Parteien zusammengetan hat - sie ermögliche in der Ampel letztlich linke Politik, heißt es, trotz aller eigenen Akzente. Raus aus der Koalition kann die Partei aber auch nicht so einfach. "Selbstmord aus Angst vor dem Tod", nannte dies Parteiurgestein Gerhart Baum. Lindner selbst sagte nach der Mitgliederbefragung, ohne Anlass ginge das nicht. Also heißt es: Dabeibleiben und Opposition in der Regierung spielen. So will man eigenes Profil zeigen und die Basis zufriedenstellen. Dazu gehört auch, den eigenen Koalitionspartnern immer wieder auf die Nerven zu gehen.

Noch geben die sich gelassen. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte beispielsweise zum Zwölf-Punkte-Papier: "Koalitionen sind Koalitionen und Parteitage sind Parteitage. Und jetzt ist mal wieder einer." Auch Grünen-Leitstern Robert Habeck meinte, Forderungen wie in dem Papier gehörten vor Parteitagen dazu. Es scheint das Motto zu gelten: Soll die FDP doch zetern und auf dem Parteitag irgendetwas beschließen, aber anschließend machen wir weiter wie bisher. Dann wäre der Zwölf-Punkte-Plan nichts weiter als eine Beruhigungspille für die eigene Basis. Und ziemlich durchschaubar und damit in der Wirkung begrenzt.

Dass es der FDP ernst damit ist, die Wirtschaft zu entlasten, Sozialausgaben zu begrenzen und Bürokratie abzubauen, darf man ihr glauben. Schließlich ist das so etwas wie das liberale Glaubensbekenntnis. Insofern ist das Zwölf-Punkte-Papier mehr als Parteitagsfolklore. Lindner und die FDP erhöhen hier den Einsatz im Koalitionspoker, stellen Bedingungen für die Ampel. Etwas muss am Ende dabei in ihrem Sinne herauskommen. Und wenn nicht? Dann muss die FDP womöglich tatsächlich irgendwann ins Unbekannte springen.

Quelle: ntv.de

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