Pferdesport:Galopp ins Schwarze

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Zum Galopper des Jahres gewählt: Fantastic Moon, hier mit Rene Piechulek in Hoppegarten, ist erst das zweite Münchner Pferd, dem dieser Titel zuteilwird. (Foto: Jim Clark/Galoppfoto/Imago)

Ungewohnt friedlich startet der Münchener Rennverein in die neue Saison. Das abgelaufene Jahr in Riem hat ein kleines Plus eingebracht, dennoch braucht der Verein zum Schuldenabbau dringend neue Einnahmequellen.

Von Andreas Liebmann

Die Frage, was eine relevante Nachricht ist und was nicht, ist so alt wie der Journalismus selbst. In der Regel genügt es ja nicht, dass irgendwo irgendetwas passiert, um es zu veröffentlichen, es muss schon auch von einem besonderen Interesse sein. Zumindest in der Welt jenseits von Tiktok und Instagram. Anders verhält es sich, wenn irgendwo irgendetwas nicht passiert, das ist dann meist auch nicht berichtenswert. Doch es gibt Ausnahmen: keine Debatten bei 1860, wäre wohl eine solche; keine Verletzten beim FC Bayern; kein Dissens in der Ampel. Hier gilt jeweils das Kriterium des Überraschenden, weil etwas Erwartetes ausbleibt. Deshalb nun also folgende Schlagzeile, vielleicht ist sie sogar exklusiv: Kein Streit in München-Riem!

Die Lage beim Münchener Rennverein (MRV), der die Galopprennbahn in Riem betreibt, ist ruhig. So ungewöhnlich ruhig, dass der Generalsekretär Sascha Multerer diese Schlagzeile selbst zum Thema macht beim Ausblick auf die neue Saison. Diese beginnt traditionsgemäß mit einem Gruppe-3-Renntag am 1. Mai. Einige Tage zuvor fand beim MRV die Mitgliederversammlung statt, und diese sei derart unspektakulär verlaufen, dass Anwesende scherzhaft bereits moniert hätten, dass sie früher für ihre Beiträge aufregender unterhalten worden seien.

Für Außenstehende und Zugezogene, denen sich all das nicht sofort erschließt: Zumeist war es an solchen Abenden in der Vergangenheit hoch hergegangen, mit gegenseitigen Vorwürfen, Lagerkämpfen, Rechtsanwälten, Gutachten, man stritt in wechselnden Besetzungen über Grundstücksdeals, rote Zahlen und Darlehen. Weshalb sich Multerer nun keineswegs über die neue Langeweile beschweren möchte: "Mir ist es so lieber", versichert er.

Die aktuelle Harmonie unter der Ägide des Präsidenten Michael Motschmann dürfte sich auch dadurch erklären, dass die zurückliegende Rennsaison einen Überschuss einbrachte, 35 000 Euro. Es ist bereits das zweite Jahr nacheinander, das nicht mit erschreckenden Defiziten endete, sondern mit dem Beweis, dass es grundsätzlich möglich ist, den Saisonbetrieb kostendeckend zu gestalten, was auch im neuen Jahr wieder das Ziel sein soll: mit neun Renntagen, darunter einem Gruppe-3- und zwei Gruppe-1-Rennen, und Preisgeldern in Höhe von 955 000 Euro.

Das klingt alles fast schon zu positiv, denn der Verein ist weit davon entfernt, im Geld zu galoppieren. Acht Millionen Euro betragen seine Verbindlichkeiten, davon 5,4 Millionen, die in ein neues Mitarbeiterwohnhaus gesteckt wurden, und 2,6, die noch aus alten Darlehen von Mitgliedern resultieren. Neue Verbindlichkeiten kamen zuletzt nicht hinzu, auch wurden die alten etwas reduziert, trotzdem braucht der Verein dringend Einnahmequellen.

Der Verein plant auf einem Teil des Geländes eine Photovoltaikanlage

Traditionell stößt man bei diesem Thema auf das 40 Hektar große Trainingsgelände, das wie die Rennbahn selbst künftig von einem neuen Stadtteil umschlossen sein wird. In der Vergangenheit sollte es schon verkauft werden, dann wollte es der Verein selbst bebauen, um durch Mieten an verlässliche Einnahmen zu gelangen. Seit der Münchner Stadtrat das Areal im Rahmen der städtebaulichen Entwicklung als zu erhaltende Grünfläche deklariert hat, plant der Verein stattdessen auf einem Teil des Geländes eine Photovoltaikanlage. Andere Pläne verfolge man zurzeit nicht, erklärt Multerer, mit den erforderlichen Genehmigungen gehe es aber "bei Weitem nicht so schnell, wie ich es mir wünschen würde". Für den Verein geht es, wie der Geschäftsführer mal überschlagen hat, um eine Liquiditätserhöhung "von einer halben Million Euro im Jahr oder mehr".

Am Maifeiertag geht es erst einmal um ganz andere Dinge: um ein Richtfest, um eine Ehrung und um den Aufgalopp, also den Sport.

Das Richtfest betrifft die im Februar 2022 durch einen Brand zerstörte Klubtribüne. Das Gebäude ist nahezu komplett entkernt worden, der dritte Stock ist abgetragen, Wände sind eingerissen und versetzt, nun ist ein Pultdach aufgesetzt. Bis Jahresende, hofft Multerer, könnte die Tribüne fertig sein.

Die Ehrung wird dem Hengst Fantastic Moon zuteil. Der von Sarah Steinberg für die Besitzergemeinschaft Liberty Racing trainierte Derbysieger ist vor gut einem Monat zum Galopper des Jahres gewählt worden, soll am Sonntag noch beim Prix Ganay in Paris laufen und dann daheim dem Münchner Publikum vorgestellt werden. Er ist erst das zweite Münchner Pferd in der seit 1957 veranstalteten Publikumswahl, dem dieser Titel zuteilwurde, nach Night Magic, die ihn 2009 gewann. Ein bisschen Applaus sollte da schon sein.

Das Hauptrennen am 1. Mai gilt als wichtigster Derbytest des Jahres, entsprechend gut ist es besetzt. Von den bislang zehn für Riem gemeldeten Pferden zählen fünf zu den Topfavoriten der Buchmacher fürs Deutsche Derby am 7. Juli, darunter auch Wintertraum, der beste Zweijährige des Vorjahres. Schade eigentlich angesichts des Namens, dass sich so kurz vor dem Rennen der Frühsommer zurückgemeldet hat, bis Mitte der Woche hatte es ja tatsächlich noch geschneit. Der Aufgalopp hätte dann wie das Abschlussrennen des Vorjahres im Schnee stattgefunden, das wäre in der jüngeren Vergangenheit ein Novum gewesen. Aber dass am 1. Mai kein Schnee fällt, das ist nun wirklich keine Nachricht.

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