Maserati Ghibli 334 Ultima: Test
Ultimatives Ende für den V8: Maserati Ghibli im Test
Auf der Eispiste von Livigno nimmt Maserati Abschied von seinem legendären V8. Hier darf der potente Treibsatz ein letztes Mal mit ganzer Kraft aufspielen.
Bild: Maserati S.p.A.
Maserati feiert Abschied. Abschied von seinem legendären V8. Dessen Geschichte beginnt im Jahr 1959, als es dem Schah von Persien nach einem exklusiven Sportwagen mit potentem Treibsatz gelüstet. Am Ende ist es der 5000 GT Scià di Persia in Blu-Sera-Lackierung, der die Wünsche Seiner Hoheit erfüllt. Unter der Haube pumpt der auf 5,0 Liter Hubraum vergrößerte V8 aus dem Maserati 450S, der mit 340 PS ein wahrer Leistungsgigant ist.
64 Jahre später ist es das Gemeinschaftsprodukt von Maserati und Ferrari, das ein letztes Mal die Lust auf einen V8 in zwei Sondermodellen befriedigt. Zum einen wird der bis heute auf 580 PS erstarkte Achtzylinder-Biturbo im mindestens 190.000 Euro teuren Ghibli 334 Ultima der gut betuchten Kundschaft den Atem rauben, zum anderen im Levante V8 Ultima seine Arbeit verrichten. Von beiden Modellen werden jeweils 103 Stück produziert, danach schließt die Sportwagenschmiede aus Modena die Bücher und wird sich bei den Verbrennertreibsätzen auf den selbst entwickelten Nettuno V6, der 490 bis 550 PS leistet konzentrieren – im MC20 mit Trockensumpfschmierung und weiteren Rennsport-Zutaten sogar 630. Zudem gibt es natürlich noch die Elektrostrategie, die mit dem 761 PS starken GranTurismo Folgore eingeläutet wurde.
Kraftprotz auf Glatteis
Aber wir schweifen ab, geht es hier doch um eine zahlenträchtige Hommage auf die Achtzylinder. Zahlenträchtig insofern, weil Tipo 103 als interner Name dem 5000 GT zugedacht war. Mit der 334, die den Kotflügel des – wie einst der Scià di Persia – in Blu Sera lackieren Ghibli Ultima ziert, wird die Höchstgeschwindigkeit benannt. Tatsächlich beschleunigt der Ultima in 3,9 Sekunden nicht nur 0,4 Sekunden schneller als das Alltagsmodell, er wird mit 334 km/h auch noch 8 km/h schneller und ist damit, laut Maserati, die schnellste Sportlimousine der Welt.
Nun könnte man meinen, es gäbe keinen besseren Ort als die Rennstrecke, um so einen Kraftprotz zu testen und an seine Grenzen zu treiben. Aber weit gefehlt. 1800 Meter über dem Meeresspiegel in den italienischen Alpen liegt Livigno. Der Ort ist im Winter ein Mekka für Ski-Fetischisten. Doch auch Autoliebhaber finden zu dieser Jahreszeit den Weg über verschneite Alpenpässe, um dort die Ice Driving School zu besuchen.
Auf dem 1,1 Kilometer langen Kurs mit zehn Kurven kann die freudige Rutschpartie beginnen. Besonders lustvoll mit dem hinterradgetriebenen Ghibli 334 Ultima, der mit seinen 580 PS und 730 Newtonmetern maximalem Drehmoment zur eisigen Kurvenhatz einlädt. Allerdings nicht, solange das ESP in Hab-acht-Stellung ist. Aber wenn man das Regelsystem per Knopfdruck in den Tiefschlaf versetzt hat, zuckt der Italiener bereits bei leichten Gasstößen mit dem Heck, während sich der Fahrer fester in das Terrakotta-Leder seines Sportsitzes presst.
Für die Kraftverteilung sorgt im Normalfall eine Achtstufenautomatik von ZF, die hier im Eis aber eher wenig zu tun hat, denn außer den Gängen eins und zwei braucht es hier nichts. Da dem Ghibli der sensible Gaseinsatz ohnehin fremd ist und er beim Anfahren unentwegt mit den Hinterrädern scharrt, ist es besser, im Schnee die mächtigen Schaltwippen am Lenkrad zu nutzen, um die geballte Kraft am Heck dann mit sanftem Gasfuß in den Griff zu bekommen.
Beim Schwänzeln wirkt die Lenkung, wie man es von Maserati kennt, etwas zu leichtgängig, arbeitet aber präzise. Ist vielleicht sogar für das schnelle Umsetzen auf dem spiegelglatten Untergrund, der von Runde zu Runde mehr vom Grip gebenden Schnee befreit wird, besser als ein zu spitz eingestelltes Volant. Und so tanzen die mehr als zwei Tonnen des Ghibli 334 Ultima am Ende doch recht behände durch die Eiskurven. Wenngleich die Sounduntermalung weit von dem entfernt ist, was man aus früheren Tagen von den Fahrzeugen mit Dreizack kennt. Statt eines ungestümen Röhrens, das erst tief in den Bergen verhallt, ist es ein verhaltenes Grummeln, das die Arbeit des V8 intoniert.
Liebe zum Detail
Wenig Beachtung finden in diesen Momenten die kleinen Feinheiten, die Maserati seiner Jubiläumsauflage mitgegeben hat. Dazu gehört das Vollcarbon-Exterieur- Kit, einschließlich der vorderen Stoßfängerplatten, der Türgriffe, Spiegelkappen sowie B- und C-Säulen plus Dreizack und die 334-Logos, die auf die vorderen Kopfstützen gestickt sind. Den Mitteltunnel ziert der Schriftzug „Una di 103“, damit auch niemand vergisst, dass er eine limitierte Sonderauflage fährt. Nun soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass die limitierte Auflage des Ghibli längst vergriffen ist. Zu viele Leute haben schnell erkannt, dass sich der Einsatz von knapp 200 000 Euro angesichts des Endes der Achtzylinder-Ära in nicht allzu ferner Zukunft lohnen könnte. Insofern dient wohl ein Großteil der verkauften Ultima- Modelle eher als Geldanlage denn als Fahrmaschine.
Gleiches gilt im Übrigen für den Levante V8 Ultima. Seit 2016 gebaut, war er bis zum Erscheinen des Grecale das einzige SUV in der Maserati-Palette. Auch hier ziert das Ultima-Logo in Rubino den Kotflügel. Auf die 334 muss der 580 PS starke Sport-Kraxler mit Allradantrieb allerdings verzichten, denn diese Geschwindigkeit ist für ihn nicht vorgesehen. Die vorderen und hinteren Stoßfänger sowie die Seitenschweller sind ebenfalls mit Carbon-Details ausgestattet, die Sitze in Terrakotta-Lederkombination mit dem Dreizack bestickt. Natürlich ist auch die Zahl des Levante V8 Ultima auf 103 Fahrzeuge begrenzt.
Der pfiffige Leser könnte jetzt darauf verweisen, dass es doch mit den Trofeo-Modellen in Form des Levante, Quattroporte und Ghibli abseits der Sonderedition weitere V8-Fahrzeuge mit wuchtigen 580 PS gibt. Nein, man muss an dieser Stelle sagen, dass es sie gab. Wer mit dem V8, dessen Zylinderbänke im 90-Grad-Winkel angeordnet sind, liebäugelt, wird wohl nur noch auf dem Gebrauchtwagenmarkt fündig. Und auch hier muss angesichts der Tatsache, dass der Treibsatz ab sofort eine Rarität ist, mit massiven Preissteigerungen gerechnet werden.
Zwei Töpfe weniger
Was den Fans der potenten Dreizack-Verbrenner bleibt, ist der GranTurismo (GT) mit dem schon erwähnten Maserati-eigenen Nettuno-V6. Ein Motor, der direkt aus dem Supersportler MC20 in den GT wanderte und mit 550 PS und einem maximalen Drehmoment von 650 Newtonmetern wahrlich kein Kind von Traurigkeit ist. In diesem Trimm ist der V6 also durchaus geeignet, den sportlich orientierten Fahrer auch auf dem eisigen Rund von Livigno zu erheitern.
Sogar seine Ausdrucksweise aus den vier armdicken Endrohren ist erfreulich engagiert, macht mehr her als die eben noch bewegten Achtzylinder, die dagegen fast schon beschnitten wirken. Nur eines ist schade: Um mit dem potenten GT so richtig engagiert um die Kurven zu rutschen, fehlt ihm ein komplett deaktivierbares ESP. Selbst im Rennstreckenmodus Corsa bremst ein Rest des Regelwerks das Engagement von Fahrer und Triebwerk aus. Das geschieht dergestalt, als dass Gaspedalbewegungen erst nach einer Gedenksekunde in Triebkraft umgesetzt werden. Was gerade auf dem Eis genau eine Sekunde zu spät ist.
Auch der vollvariable Allradantrieb des Trofeo ist auf dem eisigen Kurs eine Spaßbremse. Im wahren Leben hingegen und auf dem asphaltierten Rund dürften genau diese Kritikpunkte für erfreulich flotte Rundenzeiten sorgen. Denn dort sind der Sprint auf Tempo 100 in 3,6 Sekunden und die Höchstgeschwindigkeit von 320 km/h mehr als schmückende Datenblattwerte. Doch am Ende ist es, wie es ist. Die Ära des Achtzylinders bei Maserati ist vorbei. Und so heiß der V8 über 64 Jahre war, so eiskalt ist jetzt der Abschied.
Fazit
Der Achtzylinder ist an Kraft und Laufkultur kaum zu übertreffen. Früher gehörte es zum guten Ton eines jeden Premiumherstellers, ein solches Triebwerk in der Familie zu haben. Unterdessen sind die stolzen Achtender rar geworden. Und so nehmen wir auch von Maseratis V8 mit einer tiefen Verbeugung Abschied und behalten ihn in guter Erinnerung.
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