Weniger Sticheleien in Richtung Ampelpartner, dafür mehr liberale Evergreens, von Bürokratieabbau bis Schuldenbremse – so lässt sich die Rede von Parteichef Christian Lindner zum Auftakt des FDP-Parteitags in Berlin zusammenfassen. Die auch von den Koalitionspartnern viel kritisierten FDP-Ideen für Sozialkürzungen verteidigte er.
Christian Lindner, FDP-Vorsitzender:
»Eine Mehrheit der Deutschen teilt auch unsere Überzeugung, dass das Bürgergeld eben kein bedingungsloses Grundeinkommen ist, sondern dass eine Gegenleistung zu erwarten ist. Die Gegenleistung für Solidarität ist, sie nur so lange und so weit wie nötig in Anspruch zu nehmen.«
Christoph Schult, DER SPIEGEL:
»Er hat sehr staatstragend geredet, eher als Bundesfinanzminister, als FDP-Parteivorsitzender. Aber er hat sich eigentlich jeglicher Spitzen gegenüber den Koalitionspartnern enthalten. Es gab eine Kritik an der Kindergrundsicherung der grünen Familienministerin Lisa Paus. Aber ansonsten hat er sich mit der Kritik einig, konzentriert auf die Union, was interessant ist, also sozusagen den Mitbewerber im sogenannten bürgerlichen Lager.«
Die CDU sei in Person von Ursula von der Leyen verantwortlich für die Bürokratie aus Brüssel. Außerdem habe sie sich mit ihrem Nein zum reformierten Klimaschutzgesetz als Anti-Freiheits-Partei gezeigt.
Christian Lindner, FDP-Vorsitzender:
»Die Union würde also billigend in Kauf nehmen, dass es Freiheitseingriffe bis zum Fahrverbot gibt. Man kann also ruhigen Gewissens sagen, die Klimakleber wollen durch Blockaden die Menschen behindern. Die CDU hätte es per Gesetz getan, und das sollten die Menschen wissen.«
Das Platzenlassen der Ampelkoalition ist kein Thema. Aus gutem Grund: Angesichts der schlechten Umfragewerte könnten die Liberalen aus dem Bundestag fliegen, wie bereits 2013.
Christoph Schult, DER SPIEGEL
»Ich glaube, Lindner spielt da eher mit dieser Drohung, aus der Ampel auszutreten. Ich glaube, ernsthaft hatte er das nie beabsichtigt. Er beabsichtigt es nie. Es würden glaube ich auch die meisten FDP-Wählerinnen und -Wähler ihm übel nehmen, wenn die FDP vorzeitig aus der Ampel ausscheiden würde.«
Und die Basis? Die ist stolz auf das, was die FDP als kleinster Ampel-Koalitionspartner schon hat durchsetzen können. In der öffentlichen Wahrnehmung werde das aber nicht genug wertgeschätzt.
Reporter:
»Wie gut kommt denn die Ampel an der Basis bei den Bürgern noch an?«
Heidi Nader, FDP Baden-Württemberg:
»Nicht gut. Also meine Erfahrung: Ich habe viel Kundenkontakt und also da ist es jetzt überhaupt nicht gut.«
Reporter:
»Auch die Rolle der FDP nicht?«
Heidi Nader, FDP Baden-Württemberg:
»Unter anderem auch. Aber ich muss ehrlich sagen, meine Meinung ist, wenn die FDP nicht dabei wäre, wäre es noch viel schlimmer, die Politik. Weil wir haben schon einiges auch verhindert, was eigentlich die Roten und die Grünen wollten.«
Wolfgang Oepen, FDP Rheinland-Pfalz:
»Die sagen immer, ihr seid ja die Steigbügelhalter der Grünen oder auch der Linken. Und das verstehen wir uns aber nicht. Sondern wir sind ja diejenigen, die jetzt sage ich mal, das Schlimmste verhindern. Wir betonen das immer in der Partei. Aber ich glaube, etwas zu verhindern ist nicht das, wofür sich Wähler begeistern. Das ist der Punkt. Das ist immer das Schlimme in der Kommunikation, nach außen ist das immer ganz doof.«
Viola Noack, FDP Baden-Württemberg:
»Was mich ein bisschen traurig macht, ist, dass wir in der Regierung sind und mit zugucken oder zugucken müssen, dass die Wirtschaft den Bach runtergeht. Und das ist, das finde ich, ganz, ganz schlimm, weil wir die Wirtschaftspartei sind. Aber ich denke mit dem, was der Chef heute gesagt hat, Christian Lindner, werden wir das Ruder herumreißen können. Das hoffe ich zumindest für uns.«
Lindner rückt vor den anstehenden Wahlen das wirtschaftspolitische Profil seiner Partei noch stärker in den Vordergrund. Auf dem FDP-Parteitag kommen die Forderungen nach mehr Arbeit und weniger Sozialausgaben gut an – bei den Koalitionspartnern wohl weniger.