Wirtschaft

Billigware aus Fernost So wehrt sich Zalando gegen Konkurrenz aus China

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In den kommenden Jahren will der Modehändler wieder deutlich wachsen und profitabler werden.

In den kommenden Jahren will der Modehändler wieder deutlich wachsen und profitabler werden.

(Foto: REUTERS)

Der Berliner Online-Händler Zalando steht unter Druck - und will sich neu erfinden. Vorstand David Schröder über die neue Strategie und die Abgrenzung zu Shein und Temu.

Kann Zalando noch Angriff? Nach den jüngsten Geschäftszahlen für 2023 kamen manchem Branchenexperten Zweifel. Der Berliner E-Commerce-Konzern, mit mehr als 15 Jahren dem Startup-Alter längst entwachsen, plagen fortgesetzte Wachstumsschwächen. Und mit neuen Rivalen wie den chinesischen Billiganbietern Temu und Shein droht gefährliche Konkurrenz im Kerngeschäft.

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Ein "Strategieupdate", das Mitte März vorgestellt wurde, sollte dem Konzern neue Schubkraft verleihen: Das B2B-Geschäft soll ausgebaut werden, das Markenprofil geschärft werden. Während der Aktienkurs positiv reagierte, gehen vielen Beobachtern die Neuerungen nicht weit genug. Er sehe "keine Strategie, sondern eine taktische Maßnahme, um Marge und Auslastung zu optimieren", kritisiert der Hamburger E-Commerce-Experte Alexander Graf. Es fehle Zalando "eine strategische Antwort auf die neuen Marktherausforderungen".

Zalando, ein leckgeschlagener, manövrierunfähiger Tanker? David Schröder, Vorstandsmitglied und COO des Berliner Konzerns, widerspricht im Gespräch mit "Capital": "Wir können aus einer Position der Stärke heraus agieren, sind nicht auf externe Hilfe angewiesen." Möglich mache das ein gesundes Balance Sheet mit 2,5 Milliarden Euro Cash: "Das heißt, wir können es uns leisten, jetzt richtig Gas zu geben."

Die Notwendigkeit umzusteuern sieht auch der 41-jährige Zalando-Vorstand. "In dem Moment, in dem man anfängt, sich selbst als etablierter Player zu sehen, wird man meistens mit Rückschritten bestraft", glaubt Schröder. Zalando ruhe sich daher "nicht auf früheren Erfolgen aus". Das Unternehmen besitze seit Gründungstagen eine "Kultur, zu der gehört, ständig hungrig zu sein auf das, was noch kommt".

Herausforderungen aus China

Und dennoch, allzu radikal will die Unternehmensführung auch wieder nicht umsteuern. Er würde die Neuausrichtung "eher als Evolution beschreiben", so Schröder. "Wir haben 2023 über 10 Milliarden Euro Umsatz mit rund 50 Millionen Kunden gemacht. Diese guten Kundenbeziehungen werden wir sicherlich nicht aufs Spiel setzen."

Zalando müsse allerdings "mit den Kunden, die wir haben und denen, die noch dazu kommen, noch enger in den Austausch treten", sagt Schröder. "Beim Thema Inspiration und Entertainment müssen wir uns an der Customer Experience messen lassen, die Nutzer aktuell eher mit Social-Media- oder auch Medienunternehmen assoziieren." Gemeint ist damit der aus China stammende Social-Media-Gigant Tiktok, aber mutmaßlich geht es auch um die aufstrebenden E-Commerce-Player Shein und Temu. In deren Apps verbringen die Nutzer nämlich viel mehr Zeit als bei Zalando. In Deutschland war Temu 2023 schon die am häufigsten heruntergeladene Anwendung. Tiktok plant seinen eigenen E-Commerce-Shop noch 2024 in Europa auszurollen. Nutzer können dann direkt aus der App bestellen. In Asien und den USA will Tiktok in diesem Jahr mit diesem Konzept bereits 50 Milliarden Dollar umsetzen.

Im Kampf um die billigsten Preise für austauschbare Massenware wird Zalando gegen die neue Konkurrenz wenig Chancen haben. Diese Erkenntnis hat sich auch in Berlin durchgesetzt. Wenn Zalando aber nicht mehr einfach ein Mainstream-Fashion-Anbieter ist - was ist es dann?

Das Ramschmodell der Chinesen sei jedenfalls "nicht die richtige Herangehensweise für uns", erklärte CEO Robert Gentz beim Kapitalmarkttag. Man glaube an Nachhaltigkeit und "den Wert von Marken". Schon seit einiger Zeit habe Zalando daher einen "Wandel von Quantität zu Qualität" begonnen, beobachtet die Marktplatzexpertin Valerie Dichtl.

"Wofür wir stehen"

"Qualitätsangebote entlang der gesamten Customer Journey werden ein ganz wichtiges Differenzierungsmerkmal sein", bestätigt Schröder. "Das grenzt uns auch gegenüber anderen Playern ab, die ohne Rücksicht auf Verluste auf Niedrigpreise setzen. Wir wollen vor allem für die mode- und markenaffinen, qualitätsbewussten Kunden da sein."

Zalando müsse "wieder stärker herausstellen, wofür wir stehen", gesteht Schröder überdies ein. "Das ist in der Vergangenheit an der ein oder anderen Stelle vielleicht etwas unklarer geworden." Es braucht eine neue, geschärfte Antwort auf die Frage: Was ist Zalando eigentlich?

Neben der chronischen Margenschwäche - die auch andere Onlinehändler erleben - sowie dem stagnierenden Wachstum ist es vor allem das Aufkommen von Temu und Shein, das Zalando eine neue Antwort auf die Frage abnötigt. Die neue Konkurrenz will Schröder mit offenem Visier angehen. "Wir scheuen den Wettbewerb nicht", sagt der Manager. "Im Gegenteil, wir stellen uns dem gerne." Trotzdem sei es "wichtig zu betonen, dass es einen Wettbewerb zu fairen und gleichen Regeln geben muss. Und das ist derzeit nicht der Fall. Europas Gesetzgeber seien "gefragt, bestehende Schlupflöcher, wie das illegale Ausnutzen der 150-Euro-Zollgrenze, zu schließen und dafür zu sorgen, dass bestehende Regeln, etwa in Bezug auf Produktsicherheit, für alle Marktteilnehmer gelten und durchgesetzt werden müssen", so Schröder.

Bei Waren, die über die chinesischen Billigplattformen verkauft wurden, hatten Tester zuletzt immer wieder erhöhte Schadstoffwerte und erhebliche Sicherheitsmängel festgestellt. Zudem unterlaufen die Betreiber offenbar gezielt europäische Zoll- und Umsatzsteuerregelungen. Die meisten Produkte auf den Plattformen sind billiger als 150 Euro - bis zu dieser Grenze wird kein Zoll fällig. Und bei teureren Produkten wird die Ware bisweilen auf mehrere Sendungen aufgeteilt, um die Zollgrenze nicht zu überschreiten.

Dieser Text erschien zuerst bei capital.de

Quelle: ntv.de

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