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Oliver Trenkamp

Die Lage am Abend Ein betrunkener Russe, zwei tote Ukrainer und ein Verdacht

Die drei Fragezeichen heute:

  1. Getötete ukrainische Soldaten in Murnau – was wissen wir, was nicht?

  2. Sánchez’ Rücktritt vom Rücktritt – kommt Ihnen das spanisch vor?

  3. Hoeneß über Tuchel – wie viel Macht hat der Bayern-Patriarch?

Podcast Cover

1. Bluttat in Murnau

Tatort in Murnau: Zwei Ukrainer sind tot

Tatort in Murnau: Zwei Ukrainer sind tot

Foto: Christine Uyanik / REUTERS

Tatort Murnau, Oberbayern: Zwei Soldaten aus der Ukraine, 36 und 23 Jahre alt, seit dem vergangenen Jahr zur Genesung in Deutschland, sind tot. Ein Russe, 57, soll sie erstochen haben. Schnell kommt da der Gedanke auf, der Krieg in Osteuropa könnte die deutsche Provinz erreicht haben. Stecken Putins Schergen dahinter? Oder eskalierte schlicht ein Streit unter Bekannten?

Zwei Tage nach der Tat verdichten sich Informationen zum Hergang, beim Motiv herrscht noch immer Unklarheit. Die Ermittler haben nach eigenen Angaben keine Hinweise auf einen politischen Hintergrund, können ihn aber auch nicht ausschließen. Die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus hat den Fall übernommen, wie die Generalstaatsanwaltschaft München mitteilte.

Gegen die These eines gezielten und geplanten Anschlags spricht, dass der mutmaßliche Täter offenbar schwer betrunken war und eine Blutspur hinterließ. Sie führte vom Tatort, dem Gelände eines Einkaufszentrums, wo man sich laut Polizei »trifft und mal ein Bier trinkt«, direkt zu seiner Wohnung. Dort ließ er sich widerstandslos festnehmen; eine Ermittlungsrichterin erließ einen Haftbefehl. Laut Polizei haben sich die Männer vermutlich gekannt, Zeugen sollen sie schon vorher zusammen gesehen haben.

2. Der Trotzkopf

Zum Wesen der Telenovela gehört der Cliffhanger: Küsst sie ihn? Gelingt die Flucht? Verstößt er seinen Sohn? Schalten Sie auch morgen wieder ein, um zu erfahren, wie es weitergeht! Jetzt hat der spanische Premier Pedro Sánchez das Konzept für die Politik adaptiert, wie mein Kollege Steffen Lüdke findet . Tagelang ging es nur um die Frage: Tritt Sánchez zurück? (Lesen Sie bis zum Ende des übernächsten Absatzes, um zu erfahren, wie es ausgeht!)

Das Drama begann am Mittwochmorgen. Mit ernster Miene sprach Sánchez im Parlament Korruptionsvorwürfe gegen seine Frau an, ohne danach gefragt worden zu sein. Am Nachmittag brachte er einen Rücktritt ins Spiel, den so gut wie niemand gefordert hatte. Anschließend verbarrikadierte Sánchez sich im Regierungspalast. »Fünf lange Tage lang ließ er den Großteil seiner Amtsgeschäfte ruhen, sprach nicht öffentlich – und offenbar auch kaum mit Vertrauten«, berichtet Steffen. Schon da habe man sich an die Launen eines Teenagers erinnert gefühlt.

Heute Morgen fuhr Sánchez dann zum König, um ihm seine Entscheidung mitzuteilen. »Man wäre bei diesem kuriosen Gespräch gern dabei gewesen«, findet Steffen. »Sánchez muss sich selbst dämlich vorgekommen sein: Ihre Majestät, ich hatte überlegt zurückzutreten. Jetzt bleibe ich doch. ¡Hasta luego!«

Er tritt also nicht zurück. Und während Villarriba schon feiert, wird in Villabajo noch gerätselt: Warum die ganze Aufregung? »Vielleicht eine politisch kalkulierte Nebelkerze, um sich eine peinliche Debatte über die Geschäfte seiner Frau zu ersparen – und stattdessen die schmutzigen Methoden seiner Gegner in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken«, sagt Steffen. Vielleicht unterhaltsam, aber eines Ministerpräsidenten nicht würdig.

3. Die Macht der Hoeneß-Worte

Vor dem Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid will sich Noch-Bayern-Trainer Thomas Tuchel nicht mit der Kritik befassen, die Uli Hoeneß an ihm geübt hat. »Real Madrid«, sagte Tuchel heute und tippte sich an den Kopf. »Es gibt nur noch Real Madrid.« Zu Hoeneß wollte er nichts mehr sagen. »Das Thema ist abgehakt.«

Am Wochenende hatte Hoeneß die Entwicklerqualitäten von Tuchel in Zweifel gezogen. Der Coach selbst hat darauf »fassungslos« reagiert, und schon wieder hat der FC Bayern sein großes Debattenthema. Mein Kollege Peter Ahrens sagt : »Mit Uli Hoeneß muss man klarkommen, wenn man in München Trainer sein und vor allem bleiben will.« Im Verein und bei den Fans rollen zwar immer mehr Leute die Augen, wenn der Patriarch mal wieder die Öffentlichkeit gesucht hat. Ist es nicht irgendwann auch mal gut? »Aber dieses Irgendwann dauert noch«, sagt Peter. »Denn letztlich ist der Weltverein FC Bayern auch nicht anders als ein Mittelständler, bei dem der alte Firmenchef nicht loslassen kann – und sich kein Manager zu widersprechen traut.«

Was heute sonst noch wichtig ist

  • »Nur ein Deal wird die Geiseln zurückbringen«: Vor mehr als 200 Tagen hat die Hamas ihre Geiseln in den Gazastreifen verschleppt, die meisten Angehörigen haben noch immer kein Lebenszeichen. Versteckt werden einige wohl auch bei Privatfamilien anderer Terrorgruppen.

  • Gepöbel und Gewalt gegen Wahlkampfhelfer in Sachsen: Viermal sind Wahlkampfhelfer der Grünen am Wochenende in Sachsen offenbar angegriffen worden. Auch andere Parteien melden Vorfälle. Ein SPD-Mann gibt der AfD eine Mitschuld.

  • Prozess gegen »Reichsbürger« hat begonnen: In Stuttgart startet der erste von drei Mammutprozessen gegen terrorverdächtige »Reichsbürger«, die mutmaßlich die Bundesregierung stürzen wollten. Zum Auftakt beantragte die Verteidigung die Einstellung des Verfahrens – ohne Erfolg.

  • Sind wir Deutschen einfach zu faul? Zu krank, zu faul, zu unambitioniert: Die amerikanische Nachrichtenagentur Bloomberg zeichnet ein verheerendes Bild der deutschen Arbeitsmoral. Und zeigt, wie es besser gehen könnte.

Mein Lieblingsheft heute: Lass uns reden

»Man kann nicht nicht kommunizieren«, hat der US-amerikanische Psychologe Paul Watzlawick mal gesagt. Mimik, Gestik, Verhalten, Körperreaktionen und natürlich auch das Schweigen sind Botschaften. Und da ist man auch schon beim Problem: Denn erstens möchte man vielleicht gar nicht alle Informationen senden, und zweitens werden die auch noch häufig falsch verstanden.

Wie es besser gehen kann, ist in der neuen Ausgabe von SPIEGEL WISSEN, »Lass uns reden«, nachzulesen, die gerade erschienen ist: Eine Psychologin erklärt, wie man in Gesprächen Grenzen setzt , ein Psychoanalytiker beschreibt, wie wir über unsere Emotionen kommunizieren , drei Smalltalk-Profis führen in die Kunst des kleinen, unverbindlichen Gesprächs ein . Das Heft bringt auch Licht in die dunkle Seite der Kommunikation: Ein Fremdgeher erzählt, warum er alle seine Partner betrügt  und welche Lügen am überzeugendsten sind.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Da kommt was auf uns zu: Warme Luftmassen aus Nordafrika strömen aktuell nach Mitteleuropa. Sie bringen auch feinen Wüstensand aus der Sahara zu uns. Sehen Sie hier Karten, die den prognostizierten Weg der Partikel zeigen .

  • Warum »Figaros Hochzeit« einen Skandal in der High Society verursachte: Mozarts Oper »Die Hochzeit des Figaro« ist weltberühmt. Sie basiert auf einem Theaterstück, das Frankreichs Adel kurz vor der Revolution schwer nervös machte. Der König persönlich versuchte, die Aufführung zu verhindern .

  • Panik in den Doppeltürmen der Deutschen Bank: Das IT-Desaster der Postbank plagt die Deutsche Bank seit Langem. Jetzt hat sie wegen der undurchsichtigen Übernahme der Konzerntochter auch noch ein Milliardenproblem. Der Aktienkurs rauscht nach unten .

Was heute weniger wichtig ist

Kassenswift: Die Sängerin Taylor Swift, 34, hat mehrere Rekorde in den Charts aufgestellt, wie das Branchenmagazin »Billboard« berichtet. Demnach wurden die insgesamt 31 Songs der Deluxe-Edition von »The Tortured Poets Department« 891,34 Millionen Mal bei Streamingdiensten abgerufen, dazu kommen 1,9 Millionen Albumverkäufe in den USA. Sie selbst reagierte auf Instagram euphorisch und tippte in Versalien: »IST DAS EIGENTLICH EUER ERNST?«

Mini-Hohlspiegel

Aus der »Rheinischen Post«

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Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

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Illustration: Klaus Stuttmann

Und heute Abend?

Blanc-manger: Auf in den Desserthimmel

Blanc-manger: Auf in den Desserthimmel

Foto: Helga Lugert / I LOVE FOOD

Könnten Sie sich ein Dessert gönnen – und es selbst zubereiten. Unsere Kolumnistin Verena Lugert schlägt Blanc-manger vor : »Es soll von einem persischen Koch für einen arabischen General entwickelt worden sein«, schreibt sie. »Im Mittelalter verbreitete es sich dann in ganz Europa.« (Hier das Rezept. )

Guten Appetit! Ihnen einen schönen Abend, herzlich

Ihr Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion

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