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Tantralehrerin erzählt: Tantramassagen sind gesund, aber in der Praxis oft Gourmet-Prostitution
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FOCUS online Ohne Scham und Vorurteile: Wie eine Tantra-Massage alle Lustpunkte stimuliert
  • FOCUS-online-Gastautorin
Dienstag, 30.04.2024, 12:58

Sie sind die Königinnen der Massagewelt – jedoch ist Tantramassage nicht gleich Tantramassage. Das Berliner Verwaltungsgericht betrachtet Tantrastudios als Prostitutionsstätten. Tantralehrerin Regina Heckert hat auch im Selbstversuch herausgefunden, dass der Gesetzgeber da meist richtig liegt.

Was ist eine Tantramassage?

Inzwischen gibt es zahlreiche Studien, die bestätigen, dass absichtslose Berührungen einen enormen Einfluss auf unser Wohlbefinden haben. Die Sexualwissenschaft hat sogar den Begriff der „sexuellen Gesundheit“ geprägt, der verdeutlicht, wie wichtig körperliche Nähe für unser alltägliches Glück ist. Ein Mangel an Berührung kann zu Verspannungen, geringerer Leistungsfähigkeit und sogar zu Krankheiten führen. Tantramassagen können insofern ein Schlüssel für mehr Vitalität sein. Sie stärken das Immunsystem, steigern die Lebensfreude und fördern seelische Ausgeglichenheit und Stabilität. Oft haben sie auch einen therapeutischen Effekt: Körperliche und seelische Blockaden können aufgelöst werden.

Während einer Tantramassage fließen die Berührungen wie ein sanfter, unaufhörlicher Strom über den gesamten Körper. Alles geschieht im gleichmäßigen Rhythmus, langsam, ohne Hast und mit sehr viel Zeit. Es gibt keine tabuisierten Zonen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Massagen wird der gesamte Körper, einschließlich der intimen Bereiche, einfühlsam berührt. Der Minislip - bei klassischen Massagen obligatorisch - fehlt. 

Brüste, Penis, Hoden und Vulva werden weder ausgelassen noch besonders bedacht. Sexuelle Lust kann kommen und gehen. Manchmal ist eher seelische Berührung da und es lösen sich Tränen des inneren Berührtseins. Wichtig ist, dass keine gezielte sexuelle Stimulierung stattfindet.

Vielmehr geht es darum, den Menschen als Ganzes anzusprechen und die einseitige Fixierung auf rein sexuelle Aspekte zu überwinden. Die gebende Person will während der Massage nichts für sich selbst haben oder bekommen. Diese Absichtslosigkeit ist vielen Menschen noch ganz fremd, sowohl beim Geben als auch beim Empfangen. Zahlreiche Frauen und Männer haben noch nie die wohltuende Präsenz absichtsloser Berührung erlebt. Diese Erfahrung ermöglicht es ihnen, alte Verkrampfungen und schädliche sexuelle Verhaltensmuster loszulassen und Raum für Weichheit und Sensibilität zu schaffen.

Es wird nicht nur der Körper, sondern die Seele, das Wesen des gesamten Menschen angesprochen. Tantramassagen im privaten Rahmen unterliegen natürlich keinerlei Grenzen und da sind die Übergänge zur normalen Sexualität sicher fließend. Bei professionell angebotenen Tantramassagen jedoch sollte ein anderer Wind wehen.

Über die Expertin Regina Heckert

Über die Expertin Regina Heckert
Regina Heckert

Regina Heckert ist Leiterin von BeFree Tantra, der größten Tantraschule Deutschlands, Sexualberaterin, Buchautorin und Expertin für die Lust der Frau. Seit mehr als 35 Jahren trägt sie bundesweit durch Seminare, Vorträge und Online-Kurse dazu bei, die wirkliche weibliche Lust zu verbreiten. Sie konnte schon Zehntausenden Frauen und Männern zu sexuellem Glück verhelfen. Mehr unter www.befree-tantra.de.

Was den Ruf der Tantramassage beschädigt hat

Vor Jahrzehnten bot ich als junge Tantralehrerin selbst Tantramassagen an. Ich erhoffte mir, mit Gleichgesinnten zusammenzukommen, die sich für Tantra interessierten und längere Tantra-Rituale praktizieren wollten. Jedes Mal investierte ich viele Stunden Zeit und Energie, um den Massageraum in einen Tempel der Sinnlichkeit zu verwandeln. Es meldeten sich ausschließlich Männer. Mit diesen traf ich mich stets ein paar Tage vorher, um sie auf Tantra einzustimmen und meine klaren Grenzen zu kommunizieren. Zudem wäre es mir zu riskant gewesen, mit mir unbekannten Kunden in einem so intimen Rahmen zusammenzutreffen.

Ich informierte darüber, dass es weder um gezielte sexuelle Stimulation noch um einen Orgasmus ging. Hatten wir darüber Einverständnis erzielt, vereinbarten wir erst einen Termin. Sowohl ich als auch eine von mir ausgebildete Tantralehrerin machten die Erfahrung, dass die Interessierten tatsächlich eine Art Gourmet-Prostitution erwarteten. Viele buchten trotz klarer Ansage und versuchten, während der Massage das berühmte Happy End durch gezielte sexuelle Stimulierung einzufordern.  

Für die Tantramassage, wie ich sie verstehe und lehre, bestand – zumindest damals und in der Männerwelt – nicht wirklich Bedarf. Deshalb begrub ich diese Geschäftsidee. Andere taten das nicht. Und so verkam die Tantramassage in den meisten Tantrastudios tatsächlich zu einer Art Nobelprostitution. Das Happy End, also der Samenerguss oder Orgasmus, waren das Ziel. Oftmals sind heutzutage Masseurinnen sogar nackt und manche erlauben den Männern, dabei ihre Brüste zu berühren. Das hat mit der ursprünglichen Tantramassage nichts zu tun.

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Wann ist eine Tantramassage Prostitution?

Wer gewerbsmäßig sexuelle Dienstleistungen anbietet, fällt unter das Prostitutionsgesetz. Prostituierte sind nach § 2 Abs.2 ProstSchG Personen, die sexuelle Dienstleistungen, also sexuelle Handlungen, gegen Bezahlung, erbringen. Deswegen müssen sich professionelle Tantramasseure als Prostituierte anmelden und regelmäßig an einer gesundheitlichen Beratung teilnehmen. Das hat in den letzten Jahren für viel Aufruhr in der Tantraszene gesorgt und zu einigen Gerichtsprozessen geführt. 

In einem Fall hat das Berliner Verwaltungsgericht Klartext gesprochen. Bezüglich des betroffenen Tantrasalons wurde nachgewiesen, dass dort

  1. bei der Massage der Genitalbereich mit einbezogen wird
  2. beide Beteiligte (Masseur und Kunde) nackt sind
  3. die sexuelle Erregung der Kundschaft angestrebt wird

Diese drei Fakten führten zu dem Urteil, dass die professionell angebotene Tantramassage unter das Prostitutionsgesetz fällt.

Auf die Gefahr hin, als Nestbeschmutzerin in der Tantraszene angesehen zu werden, stimme ich dem Gesetzgeber voll zu. Woher soll dieser wissen, wann gezielt sexuell stimuliert wird und wann nicht? Soll er Kameras installieren? Meiner Meinung nach können keine noch so ausgefeilten Richtlinien erstellt werden, die ein objektives Messergebnis möglich machen. Tantramassagen sind leider sehr häufig wirklich Prostitution. Schade, dass dadurch auch die wenigen Anbieter betroffen sind, die Tantramassagen zur sexuellen Heilung in Hingabe und Absichtslosigkeit zu geben im Stande sind.

Tantramassagen, die bei Tantraseminaren gelehrt werden, fallen natürlich nicht unter das Prostitutionsgesetz. Denn die Seminarbesucher/innen geben und empfangen gegenseitig die Massagen und integrieren sie danach zuhause in ihr Berührungsrepertoire.

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Was ich auf Tantramassagen- Erkundungstour erlebte

Einerseits wollte ich es genau wissen: Was wird alles unter „Tantramassage“ angeboten? Zum anderen schien es eine gute Idee, uns einmal im Rahmen einer tantrischen Paarmassage verwöhnen zu lassen und nicht immer alles selbst machen zu müssen. So planten mein Mann und ich eine Tour durch drei anerkannte und große Tantramassage Salons.

Ein renommiertes Studio in einer deutschen Großstadt war unser erster Anlaufpunkt. Wir wurden freundlich empfangen. Die Räume waren wunderschön und alles hygienisch einwandfrei. Zuerst ging es unter die Dusche. Dann wurden wir in einen wirklich zauberhaften Tantratempel geführt. Auf einem der Lager wurde ich massiert, auf einem anderen mein Mann. Wir konnten zwischendurch immer wieder Blickkontakt halten. Sanfte, meditative Klänge im Hintergrund sorgten für ein Rundumwohlgefühl und immer tiefere Entspannung.

Fast zwei Stunden lang schwebten wir in himmlischen Sphären. Dann neigte sich die vereinbarte Zeit dem Ende zu. Urplötzlich verwandelte sich die genussvolle Langsamkeit in ein hektisches Treiben. Sowohl auf meiner Matte wie auch bei meinem Mann begannen die beiden Masseurinnen mit heftigen Berührungen, uns zu Orgasmen zu stimulieren. Aus heiterem Tantrahimmel heraus, würde ich heute sagen. Ich hatte mir damals vorgenommen, nicht einzugreifen, alles geschehen zu lassen, um mir einfach ein Bild vom Tantramarkt machen zu können.

„Das ist doch Prostitution, wenn auch zu 95 Prozent auf feinste Art!“

Draußen bekam ich erst einmal einen Lachanfall, denn schließlich hatte mich meine Begleiterin zu drei Lustgipfeln hochgejubelt. „Das ist doch Prostitution, wenn auch zu 95 Prozent auf feinste Art!“ sagte ich zu meinem Mann. Damals war noch lange nicht das Prostitutionsgesetz im Anmarsch. 

Die beiden anderen Institute spiegelten das gleiche Bild wider. Dort hatten wir gleich im Vorgespräch mitgeteilt, dass wir keine gezielte sexuelle Stimulation und keine Orgasmen möchten, sondern einfach nur die Massage genießen. Die beiden Massierenden schienen darüber ganz enttäuscht zu sein, so als hätten sie ihren Job nicht richtig ausführen dürfen.

In all den Jahren als Tantralehrerin habe ich unzählige Tantramasseurinnen kennengelernt. Und immer, wenn ich genauer nachfragte, stellte sich heraus: Das berühmte Happy End ist fester Bestandteil ihres Angebots. Kein Wunder also, dass ihre Terminkalender aus allen Nähten platzen! Unsere eigene Tantramassage-Tour hat dies nur bestätigt: Tantramassage ist definitiv nicht gleich Tantramassage. Ich habe nichts dagegen, wenn Menschen mit einer sehr hochwertigen Prostitution beglückt werden. Aber das soll dann auch so benannt werden dürfen.

Meine Art der heilsamen und heilenden Tantramassage lehre ich seit Jahrzehnten nur noch in meinen Seminaren. Manchmal muss ich bei meinen Auszubildenden darauf achten, dass die strengen Spielregeln eingehalten werden und die klaren Grenzen hin zur Prostitution nicht verwischen.

Experts zum Thema Sex und Partnerschaft

Dieser Text stammt von einem Expert aus dem FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Themenbereich und sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.

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