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Mutmaßliche Spitzel für China und Russland Diese Spionagevorwürfe beschäftigen die Justiz

Ein möglicher Spion in Brüssel, drei Deutsche, die für China gespitzelt haben sollen, ein mutmaßlicher Maulwurf Russlands beim BND: In den vergangenen Wochen kamen mehrere Spionageaffären ans Licht. Der Überblick.
Bundesnachrichtendienst: Auch der Geheimdienst ist von mutmaßlicher Spionage betroffen

Bundesnachrichtendienst: Auch der Geheimdienst ist von mutmaßlicher Spionage betroffen

Foto: Wolfgang Kumm / dpa

Sind deutsche Behörden zu sorglos im Umgang mit sensiblen Informationen? In den vergangenen Wochen machten mehrere Fälle Schlagzeilen, in denen Personen im Zusammenhang mit mutmaßlichen Spitzeleien für Russland oder China festgenommen wurden.

Die Bundesregierung rechnet offenbar mit weiteren ähnlichen Enthüllungen. Justizminister Marco Buschmann geht davon aus, »dass wir auch in den nächsten Monaten weitere Enttarnungen vornehmen werden«.

Worum geht es bei den jüngsten Fällen? Und wie entschieden Gerichte in den vergangenen Jahren in ähnlichen Verfahren? Der Überblick.

Der AfD-Mitarbeiter im Europaparlament

Jian G. wird Spionage für China vorgeworfen, genauer: Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall. Der Ex-Mitarbeiter von Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, ist seit einer Woche in Dresden in U-Haft. G. soll im Januar dieses Jahres wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europaparlament weitergegeben haben. Zudem soll er chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben.

Vor einigen Jahren soll G. sich erfolglos dem Bundesnachrichtendienst (BND) sowie dem sächsischen Verfassungsschutz als Quelle angedient haben. Beide Behörden aber sollen Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Mannes gehabt haben.

Drei Deutsche, die für China gespitzelt haben sollen

Am Tag vor der Festnahme des Krah-Mitarbeiters waren drei mutmaßliche Spione festgenommen worden, die ebenfalls für China gearbeitet haben sollen. Ein Mann aus Bad Homburg und ein Ehepaar aus Düsseldorf sollen in Deutschland Informationen über Militärtechnik beschafft haben, um sie an den chinesischen Geheimdienst weiterzugeben. Das Trio sitzt wegen des dringenden Tatverdachts auf »geheimdienstliche Agententätigkeit« und Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz in U-Haft.

Der Hauptverdächtige Thomas R. soll den Ermittlern zufolge Agent des chinesischen Staatssicherheitsdienstes MSS gewesen sein – und in dessen Auftrag in Deutschland Daten zu »militärisch nutzbaren innovativen Technologien« beschafft haben. Dabei soll ihm das Ehepaar aus Düsseldorf geholfen haben, dessen Unternehmen »zur Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit« mit deutschen Wissenschaftlern und Forschern gedient haben soll.

Zwei mutmaßliche Saboteure im Auftrag Russlands

Mitte April setzte die Polizei in Bayreuth zwei Männer fest, die im Auftrag Russlands US-Stützpunkte ausgespäht und Anschläge auf militärische Transportwege geplant haben sollen. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Hauptbeschuldigten Dieter S. unter anderem geheimdienstliche Agententätigkeit, Agententätigkeit zu Sabotagezwecken sowie das »sicherheitsgefährdende Abbilden« militärischer Einrichtungen vor. Der Deutschrusse soll sich bereit erklärt haben, Brand- und Sprengstoffanschläge auf militärisch genutzte Infrastruktur, Rüstungsbetriebe und Industriestandorte zu verüben.

S. soll zudem Einrichtungen des US-Militärs in Deutschland ausgekundschaftet und fotografiert haben. Entsprechendes Bildmaterial habe er seinen russischen Auftraggebern übermittelt, so die Ermittler. Beim Ausspähen soll S. von dem 37-jährigen Deutschrussen Alexander J. unterstützt worden sein, dem die Bundesanwaltschaft ebenfalls geheimdienstliche Agententätigkeit vorwirft. Beide sitzen in Untersuchungshaft.

Der Offizier, der sich Russland anbot

Am vergangenen Montag gestand ein Offizier der Bundeswehr vor Gericht, sich Russland mit militärischen Informationen als Spion angedient zu haben. Thomas H. bestritt allerdings, eine CD mit heruntergeladenen Dateien aus einem Bundeswehrlaufwerk an das russische Konsulat weitergegeben zu haben. Die Angst vor einer nuklearen Eskalation des Krieges in der Ukraine habe ihn dazu getrieben, sagte der 54-Jährige vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Es sei ihm darum gegangen, seine Familie noch rechtzeitig in Sicherheit bringen zu können.

Für die rechtzeitige Information, »wann es knallt«, habe er mehrfach Kontakt zum russischen Konsulat in Bonn und der russischen Botschaft in Berlin gesucht. Obwohl er keine Reaktion erhalten habe, habe er es immer wieder versucht: »Ich habe nur diesen Weg gesehen.« Heute bedauere er dies zutiefst und sehe es rückblickend als Fehler. Beamte des Bundeskriminalamts hatten den Mitarbeiter des Beschaffungsamts der Bundeswehr in Koblenz am 9. August 2023 festgenommen. Dem AfD-nahen Berufssoldaten wird wegen besonders schwerer Spionage zugunsten Russlands der Prozess gemacht. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Der Mann im BND

Einer der größeren Spionagefälle der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik wird seit Dezember vor dem Kammergericht Berlin verhandelt. Die Bundesanwaltschaft wirft dem zur Geheimhaltung verpflichteten BND-Mitarbeiter Carsten L. Landesverrat in besonders schwerem Fall vor. Er soll im September und Oktober 2022 geheime und kriegsrelevante Dokumente und Informationen aus dem deutschen Auslandsnachrichtendienst an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB gegeben haben. L. bestreitet die Vorwürfe.

Der in diesem Verfahren hauptbeschuldigte L. wurde im Dezember 2022 festgenommen, sein mutmaßlicher Komplize und deshalb ebenfalls angeklagte Arthur E. im Januar 2023. Die beiden sitzen in Untersuchungshaft.

Ein Reserveoffizier mit Russland-Faible

Er gerierte sich als Überzeugungstäter, machte aus seiner Zuneigung zu Russland nie ein Geheimnis: Im November 2022 verurteilte das OLG Düsseldorf einen damals 66-Jährigen wegen Spionage für den russischen Geheimdienst zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte dem russischen militärischen Nachrichtendienst GRU jahrelang Informationen unter anderem über das Reservistenwesen der Bundeswehr, die Auswirkungen der gegen Russland verhängten EU-Sanktionen auf die deutsche Wirtschaft und zum Thema Cybersicherheit weiterleitete.

Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert, seien die Dokumente doch öffentlich zugängig gewesen. Ihr Mandant hatte die Versendung an einen russischen Militärattaché umfassend eingeräumt. Zugleich sagte er: »Ich wollte eine Brücke bauen, nie hatte ich eine böse Absicht.« Der Richter folgte dennoch der Einschätzung, dass der Angeklagte geheimdienstlich tätig war. G. sei von dem Drang getrieben gewesen, »sich bei russischen Militärangehörigen beliebt und wichtig zu machen«.

Der Botschaftsmitarbeiter

In London wurde im Februar 2023 ein ehemaliger Sicherheitsmann der britischen Botschaft in Berlin zu 13 Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Der 58-Jährige habe jahrelang eine »signifikante Menge« an sensiblen Informationen an einen Kontakt in der nahegelegenen russischen Botschaft weitergegeben, hieß es in der Urteilsbegründung. Er habe sich darüber im Klaren sein müssen, dass solche Informationen in den falschen Händen Großbritannien schadeten und andere Mitarbeiter der Botschaft bedrohten.

Die deutschen Behörden hatten den Mann im August 2021 festgenommen und später nach Großbritannien ausgeliefert. Der Verurteilte hatte sich im November vor Gericht in acht Anklagepunkten schuldig bekannt. Er habe der Botschaft »Schwierigkeiten und Peinlichkeiten« bereiten wollen. Er habe rein aus Groll gehandelt und kein Geld kassiert. Dem schenkte das Gericht jedoch keinen Glauben.

Das Agentenehepaar

Wegen Agententätigkeit für einen chinesischen Nachrichtendienst verurteilte das Oberlandes­gericht München im Dezember 2021 ein deutsches Ehepaar. Der Mann, ein ehemaliger Referatsleiter für Internationale Sicherheitspolitik der Hanns-Seidel-Stiftung, erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung, seine Frau wurde zu anderthalb Jahren auf Bewährung verurteilt.

Der Fall sorgte 2021 für Schlagzeilen, weil der Mann lange Zeit auch für den Bundesnachrichtendienst gearbeitet hatte. Das Ehepaar wurde während einer Vortragsreise in Shanghai 2010 vom chinesischen Geheimdienst angeworben und hat über neun Jahre »regelmäßig Informationen« geliefert.

sak