Widerworte
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Hört auf, nur Verbraucher zu sein!

Der Zugang zu digitaler Technik ist heute weitgehend idiotensicher. Und das ist ein Problem. Wir machen zu wenig aus der Sache. Eine Kolumne.

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Als das Internet noch zu Hoffnungen aller Art taugte, vor gut zwei Jahrzehnten, da war ganz oft von den Digital Natives die Rede. Damit waren all jene gemeint, die mit digitaler Technologie aufgewachsen sind, also Menschen, die ab den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts geboren wurden. Die werden nun auch schon langsam älter. Die Generation Digital ist erwachsen. Erwachsen sein, das ist eine gewisse Reife, was wiederum nichts anderes heißt als die Fähigkeit, bewusst und selbstbestimmt mit den Dingen und Sachverhalten des Leben umgehen zu können.

Schon bei dieser Definition, die vor einigen Jahrzehnten ganz normal war, schütteln jetzt einige den Kopf: bewusst und selbstbestimmt? Geht das in einer komplexen Welt eigentlich? Ist nicht alles an sich viel zu kompliziert?

Schauen wir mal. Die Digital Natives, die so selbstverständlich mit Digitalem und World Wide Web aufwachsen, sind die wirklich reif, selbstbestimmt und erwachsen, wenn es um Entscheidungen am und um die Netzwerke geht? Und bedeutet denn Digital Native tatsächlich jene einst und auch jetzt noch unterstellte Kompetenz in Sachen Digitales? Das haben uns Marketingleute und Soziologen ja immer erzählt. Die Fähigkeit, mit Technik umzugehen, kommt sozusagen wie von selbst, wenn sie erst mal im Alltag verfügbar ist.

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von Niklas Hoyer

Nun aber ist es so, dass sich die digitale Kernkompetenz der meisten Digital Natives darauf beschränkt, einmal im Jahr - oder so - ein neues Smartphone mit Vertrag zu bestellen, oder aber auf den Gaming-Plattformen tüchtig mitzuhalten. Ein paar coden zwar, aber dass sind nicht weniger Nerds als jene, die das vor 40 Jahren taten. Digital Natives sind keine Erwachsenen im Sinne der alten Regel Reife durch Kompetenz. Als Verbraucher sind sie super. Als Macher weniger.

Das ist eine gut verdrängte Wahrheit rund um das Problem der so zähen digitalen Transformation in Deutschland. Es ist Teil des Problems mangelnder Fachkräfte in diesem Bereich. Und es ist in Politik und Wirtschaft ein Problem, weil kompetente Entscheidungen in Sachen Digitale Transformation kaum machbar sind. Es fehlt an der Substanz.

Das Thema Benutzer-Oberfläche, User-Interface, war das große Thema der 1980er-Jahre. Es ging darum, die digitale Technologie möglichst barrierefrei an die Leute zu bringen, damit sie sie nutzen können. Für die Apple-Gründer Steve Jobs und Steve Wozniak war das sogar das Hauptmotiv ihrer Bemühungen - zumindest am Anfang. Die Strategie war, die Dinge so einfach zu machen, dass niemand mehr Angst vor Rechnern haben musste.

Damit aber wurde der Computer zu dem, was schon andere Technologie war: zum reinen Konsumartikel, der zwar leicht zugänglich war, dem Nutzer selbst aber keine Möglichkeit gab, zu verstehen, was da eigentlich geschah. Und damit auch keine Möglichkeit, wirklich erwachsen und selbstbestimmt mit „Datenverarbeitung“, wie man sagte, umzugehen. Der Computer war und ist eine Blackbox. Frei nach Adorno und Horkheimer: Es gibt einen digitalen Verblendungszusammenhang, aber hallo!

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Das war ein weniger großes Problem, solange die Rechner nicht vernetzt waren. Doch dann, im Internet, war das Problem plötzlich im Raum, um zu bleiben. Jetzt, mit dem Aufbruch der KI, brechen die Dämme vollkommen. Denn die meisten Benutzer werden endgültig zu Benutzten, die der Manipulation schutzlos ausgesetzt sind, ebenso wie die Wissensarbeiter, die geistiges Eigentum schaffen, auf dessen Grundlage die KI so schlau daherkommt. Es ist eine große Klau- und Umverteilungsmaschine, bei der einige wenige Plattformen alles einstreifen, während der Rest zum Spielball ihrer Interessen wird.

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Nachregulieren? Ja, klar, aber das allein hilft nicht. Wir müssen lernen und akzeptieren, dass Technologie und Fortschritt kein Konsumartikel sind, die man sich einfach reinziehen kann, ohne auch nur zu ahnen, was da geschieht. Da braucht es eine Allgemeinbildung, eine Reife, die nicht im Auswendiglernen eines Stoffes besteht, sondern in der Fähigkeit zum kritischen Denken und zum halbwegs neugierigen Öffnen der Blackboxes. Diese beiden Wunderwaffen der Aufklärung täten auch in Sachen Wirtschaft not. Und auch bei den endlosen Bildungskrisen, die stets nur mit mehr vom Gleichen bekämpft werden.

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