2x in der „Champions-League-Falle“: Diese Fehler darf der VfB nicht noch mal machen!

2007 schied der verletzungsgebeutelte VfB als Deutscher Meister chancenlos nach der Gruppenphase aus, verlor u.a. beide Spiele gegen Barcelona. Hier setzt sich Gomez (l.) gegen Puyol (M.) durch

2007 schied der verletzungsgebeutelte VfB als Deutscher Meister chancenlos nach der Gruppenphase aus, verlor u.a. beide Spiele gegen Barcelona. Hier setzt sich Gomez (l.) gegen Puyol (M.) durch

Foto: picture-alliance/ dpa

Wissen Sie noch, wo Sie am 17. März 2010 waren?

Es war der Tag, an dem der VfB Stuttgart sein bislang letztes Spiel in der Champions League absolvierte. 0:4 beim FC Barcelona (Wie gut war Messi bitte in diesem Spiel?), Aus im Achtelfinale nach einem 1:1 im Hinspiel.

Jetzt, 14 Jahre später, steht fest: Für Stuttgart geht's wieder in die Champions League. Und damit wieder in die Champions-League-Falle?

Die erste Teilnahme 2003/04 war ein Boost, inklusive Super-Sieg gegen Manchester United, damals eine der drei besten Mannschaften Europas. Doch die beiden Teilnahmen an der Königsklasse 2007/08 und 2009/10 haben mehr geschadet als genutzt. Der anschließende Niedergang mit zwei Abstiegen als Tiefpunkte hat seinen Ursprung auch in dieser Zeit.

Um in der Königsklasse mithalten zu können, rüstete Meister-Manager Horst Heldt im Verbund mit den Trainern (erst Veh, dann Babbel) auf. Doch von den teuren Transfers funktionierte fast keiner!

Ewerthon, Yildiray Bastürk, Pawel Pogrebnjak, Ciprian Marica, Khalid Boulahrouz, Zdravko Kuzmanovic oder Rückkehrer Alex Hleb – sie alle kassierten enorme Gehälter, sie alle hatten nachgewiesene Qualitäten, doch keiner schlug sportlich ein.

Beispielhaft dafür sagte mir ein erfahrener damaliger VfB-Profi mal über Holland-Kante Boulahrouz: „Ich habe noch nie einen Spieler gesehen, bei dem zwischen dem Ruf, der ihm vorauseilt, und der Realität auf dem Platz so eine große Lücke klafft wie bei Boula.“

Teure Stars für enorme Gehälter: Droht dem VfB Stuttgart etwa wieder die Champions-League-Falle?

Teuer waren diese Spieler übrigens nicht zwingend wegen Ablösesummen. Das größte Problem waren die langfristigen Verträge auf Champions-League-Niveau. Keiner der genannten Stars bekam weniger als 3 Millionen Euro pro Jahr, Hleb in seiner Leih-Saison sogar 6 bis 8 Millionen, je nachdem, wen man fragt.

Während der Weißrusse, wie auch Ewerthon, nach einer Saison wieder weg war, schleppte der VfB die anderen Stars inklusive Mega-Gehälter auch in Jahren ohne Champions-League-Einnahmen durch. Die Mannschaft kostete statt rund 40 Millionen vor dem Titel nun jedes Jahr rund 60 Millionen. Eine Rechnung, die in Spielzeiten ohne Champions League nicht aufgehen konnte.

In den Folgejahren mussten die Top-Spieler regelmäßig verkauft werden, Geld für neue Stars war nicht da. Unvergessen der Transfer-Sommer 2012, als Heldt-Nachfolger Fredi Bobic für insgesamt 300 000 Euro Tunay Torun und Tim Hoogland holen durfte.

Der VfB saß in der Champions-League-Falle, die Qualität im Kader wurde immer weniger, es folgte der Absturz.

München-Spott von TV-Moderator„Zig Schuss, kein Trainer – die Bayern“

Quelle: BILD

Einmal ganz klar: Das soll hier keine Abrechnung mit Heldt sein. Seine Argumentation damals: „Jeder Verein, der nicht regelmäßig in der Champions League spielt, muss sich entscheiden: Ist er bereit zu investieren oder will er die Einnahmen aus der Königsklasse lieber horten?“

Heldt dachte groß, wollte den VfB in der Spitze etablieren und ging ins Risiko. Das klingt absurder als es war: Damals hatte Stuttgart noch den Traum, auf Sicht die Bayern anzugreifen.

Diesen Fehler dürfen die Verantwortlichen jetzt nicht noch mal machen! Ein etablierter Bundesliga-Manager sagte mir kürzlich: „Der VfB muss den Kader so planen, als würde er nächste Saison wieder Achter oder Zehnter werden.“

Solides Wirtschaften, Kontinuität auf den wichtigen Positionen und ein sportlicher Plan bringen auf Dauer ziemlich sicher mehr Champions-League-Teilnahmen als schnelle Investitionen.

Horst Heldt war von 2006 bis 2010 Manager beim VfB, formte die Meister-Mannschaft 2007

Horst Heldt war von 2006 bis 2010 Manager beim VfB, formte die Meister-Mannschaft 2007

Foto: picture alliance / Herbert Rudel

Zwei Dinge dürfen dem VfB Mut machen und sollten dafür sorgen, dass sich die Fans keine Sorgen machen müssen, sondern voll und ganz darauf freuen können, im Herbst endlich wieder die berühmte Hymne zu hören.

Erstens: Die aktuell Verantwortlichen um Vorstands-Boss Alex Wehrle, Sportdirektor Fabian Wohlgemuth, Leiter Lizenzspieler Christian Gentner und Trainer Sebastian Hoeneß neigen nicht zum Größenwahn. Zwei von ihnen – Wehrle und Gentner – haben die zuschnappende Champions-League-Falle beim VfB aus erster Hand erlebt.

Dank ihnen ist beim VfB gerade nur noch die Vergangenheit so grau wie ihre Outfits: Vorstands-Boss Wehrle, Trainer Hoeneß, Sportdirektor Wohlgemuth (v. l.)

Dank ihnen ist beim VfB gerade nur noch die Vergangenheit so grau wie ihre Outfits: Vorstands-Boss Wehrle, Trainer Hoeneß, Sportdirektor Wohlgemuth (v. l.)

Foto: VfB Stuttgart

Zweitens: Dass der VfB jetzt die Bayern angreift, erwartet im Umfeld – das schon lange nicht mehr schwierig ist – keiner mehr.

Das Anspruchsdenken hat sich verändert, die Fans haben die letzten 14 Jahre des Niedergangs nicht vergessen. Eine Saison mit weiterhin schönem Fußball, die am Ende im gesicherten Mittelfeld endet, wäre heute für keinen VfB-Fan mehr ein Misserfolg.

Das aktuelle Lieblingslied der Kurve, in das regelmäßig das ganze Stadion einstimmt, beweist genau das. Aber auch, dass alle richtig Bock auf die Königsklasse haben. Darin heißt es nämlich: „Nach all der Scheiße geht's auf die Reise – Stuttgart international!“

*Der Autor berichtete von 2007 bis 2016 über den VfB Stuttgart und war auch beim letzten Spiel vor 14 Jahren in Barcelona dabei.

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