Neue Forschungsergebnisse:Der arktische Typ

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Ohne Decke, Tee und Wärmflasche geht es im Winter manchmal nicht. (Foto: IMAGO/Pond5 Images)

Frauen frieren schneller als Männer? Stimmt nicht immer. Was über die Wohlfühltemperaturen der Geschlechter bekannt ist.

Von Christina Berndt

Dass es auch unter Menschen so etwas wie Warm- und Kaltblüter geben muss - der Frühling bringt es an den Tag. Während die einen längst mit freigelegten Armen und Beinen durch die Gegend radeln, vermummen sich die anderen immer noch in ihren Wintermantel. Dabei gehört es zum vermeintlichen Alltagswissen, dass Frauen im Frühling eher zur Sorte Wintermantel gehören und sowieso bis Mai ständig kalte Füße haben.

Umso überraschender ist es da, dass Forschende der Nationalen Gesundheitsinstitute (NIH) der USA nun herausgefunden haben wollen, dass Frauen im Vergleich zu Männern eher vom "arktischen Typ" sind: Ihre innere Heizung springe erst bei einer um ein Grad niedrigeren Außentemperatur an, berichten die Forscher im Fachblatt PNAS, nachdem sie 28 Freiwillige Temperaturen zwischen 17 und 31 Grad Celsius ausgesetzt und dabei ihren Energiestoffwechsel vermessen hatten.

Sind Frauen also doch wider alle Alltagsweisheit diejenigen, die weniger frieren als Männer? Der Grund für den Überraschungsfund könnte in den Hormonen liegen, meint Martin Reincke, Direktor der Endokrinologie am Klinikum der Uni München. Denn die in der NIH-Studie untersuchten Frauen hätten entweder die Antibabypille genommen oder seien in ihrer ersten Zyklushälfte untersucht worden. "In der zweiten Zyklushälfte verändert sich aber die Wärmebildung im Körper, Frauen werden da kälteempfindlicher", so Reincke.

In anderen Studien hat sich jedenfalls die Alltagswahrnehmung bestätigt: So fingen Frauen in einem Rotterdamer Experiment im Durchschnitt schon bei 11,3 Grad Celsius an zu zittern, um sich warm zu halten - Männer erst bei 9,6 Grad. Und während sich Frauen unter 18,3 Grad unwohl fühlten, froren Männer erst unterhalb von 14,6 Grad. Erklärt wird das Frieren der Frauen außer mit den Hormonen vornehmlich damit, dass sie weniger Muskeln haben - denn die sind die wichtigste Wärmefabrik im Körper.

Wenn es heiß wird, sind Frauen im Vorteil

"Die niedrigere Muskelmasse führt dazu, dass Frauen schon im Ruhezustand einen niedrigeren Grundumsatz haben und somit auch eine geringere Wärmeproduktion pro Kilo Körpergewicht", sagt der Sportmediziner Perikles Simon von der Universität Mainz. In der Folge würden Frauen schon in Ruhe kühlere Temperaturen schneller als kälter empfinden als Männer. Bei körperlicher Belastung werde der Unterschied noch größer. Hinzu kommt, dass Frauen eine um etwa 15 Prozent dünnere Haut haben, wodurch sie schneller auskühlen. Weil Frauen noch dazu bei gleicher Größe leichter sind als Männer, ist ihre Körperoberfläche verhältnismäßig groß, auch dadurch geht mehr Wärme verloren.

Das häufige Frösteln hat für Frauen aber auch Vorteile, denn sie befinden sich damit quasi im Energiesparmodus. "Das hilft der Frau, ihre Energiereserven länger aufrechtzuerhalten", sagt Perikles Simon. Auf extrem langen Laufstrecken sind Frauen deshalb fast so schnell wie Männer, der Gender-Gap schwindet. Zudem erbringen Frauen bei höheren Temperaturen deutlich bessere mentale Leistungen als Männer, wie vor ein paar Jahren Forscher aus Berlin und Los Angeles gezeigt haben. Für besseres Denken im Sommer kann man im Winter auch mal kalte Füße in Kauf nehmen.

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