Kolumne "Hin & weg":Schlafen im 70 000-Euro-Bett

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Wie es sich hier wohl schläft? In München haben sich ein Hotel und ein Einzelhändler zusammengetan, um ein 70 000 Euro teures Bett zu bewerben. (Foto: ANDREAS POLLOK/Platzl Hotels München)

Der Fachkräftemangel in Hotellerie und Gastronomie könnte bald ein Ende haben. Wenn die Branche endlich ihr Geschäftsmodell modernisiert.

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Es gibt Erfindungen und Entwicklungen, bei denen man sich im Nachhinein fragt, warum nicht viel eher jemand auf die Idee dazu gekommen ist, so naheliegend, wie diese Dinge sind. Ein Beispiel sind die Tourneen von Pop- und Rockmusikern: Jahrzehntelang war das ein Gehetze von Stadt zu Stadt, Bühne aufbauen, Bühne abbauen, jeden Abend aufs Neue musste das Management in einer neuen Stadt einen vertrauenswürdigen Koks-Dealer auftun, der die Musiker mit gutem Stoff versorgen konnte. Und der Frontman der Band setzte sich allabendlich der Gefahr aus, mit gefüllten Bierbechern beworfen zu werden, weil er "Hi Vienna!" ins Publikum grölte, obwohl er gerade in Prag war.

Bis - erst kürzlich - zum Beispiel Adele auf die Idee verfallen ist, einfach ein Dutzend Konzerte in einer Stadt zu spielen. Reisen müssen jetzt die Fans, was sie ohnehin auch früher schon oft getan haben, wenn sie in Hannover oder Fulda wohnten, ihre Helden aber nur in Berlin, Köln oder Hamburg spielten. Jetzt müssen eben alle nach München, egal ob sie in Amsterdam, Avignon oder Augsburg beheimatet sind. Macht für die Fans keinen großen Unterschied, für die Musiker indessen sehr wohl.

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Apropos Reisestrapazen: Seit drei Jahren waren Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins bereits wieder zurück von ihrer unter Ingenieursgesichtspunkten extrem herausfordernden Reise zum Mond, da wurde 1972 (endlich) für all jene, die bloß schnöde mit dem Zug zur Familie in den Schwarzwald wollten, der Rollkoffer patentiert. Dabei wusste man schon seit Jahrhunderten, dass schwere Lasten viel einfacher auf Rädern oder Rollen transportiert werden könnten als schleppend.

Das führt zur jüngsten Entwicklung. Die zugrundeliegende Problematik ist sattsam bekannt: Da trinkt man im Urlaub im Restaurant oder an der Hotelbar einen tollen Wein, und mit jedem Glas wächst der Wunsch, ein paar Flaschen davon mit nach Hause zu nehmen. Aber wo auf die Schnelle einen Karton davon herbekommen, schließlich geht am nächsten Morgen der Flieger zurück?

In München haben sich nun ein Hotel und ein Einzelhändler zusammengetan, um ein 70 000 Euro teures Bett zu bewerben. Es steht im besten Zimmer des Hauses. Und wer eine Nacht darin verbringt, so das Kalkül, möchte nie mehr in einem anderen Bett schlafen. Und wird es kaufen wollen. Selbstredend muss nicht erwähnt werden, dass, wer in diesem Hotelzimmer nächtigt, nicht überlegen muss, ob er sich dieses Bett leisten kann. Sondern nur, ob er das möchte.

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Aber bevor jetzt wieder Sozialneid aufkommt: Dieses Geschäftsprinzip ist auf jedem Preisniveau anwendbar. Das Hotelzimmer, der Frühstücksraum, das Restaurant und die Kneipe - sie alle lassen sich in Showrooms verwandeln. Das bezaubernde Porzellanservice: Gibt es zu kaufen, gleich hier, mit oder ohne Suppenschalen. Der Gast muss nur sagen, ob er es acht- oder zwölfteilig wünscht. Die Handtücher, die Seifenschale, die Bodylotion: Wird geschickt, die Adresse steht eh auf dem Meldezettel. Und, klar, der Wein - eine oder lieber zwei Kisten?

Dem Gast ist damit geholfen, er spart sich die Rennerei durch ein Dutzend Läden. Und obendrein wird dadurch dem Fachkräftemangel im Tourismus abgeholfen: Denn künftig stellt der Einzelhandel einen Großteil des Personals in Hotellerie und Gastronomie. Und spart sich seinerseits die Ladenlokale in sündteuren Innenstadtlagen. Das wiederum schafft Platz für noch mehr touristische Betriebe. Goldene Zeiten werden anbrechen!

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