Wirtschaft von oben #260 – Eventtourismus in Peru Modedroge Ayahuasca sorgt für skurrilen Trend bei Urlaubern

Hier in Santa María de Ojeal im Nordosten Perus haben sich gleich zwei Ayahuasca-Zentren in unmittelbarer Nachbarschaft angesiedelt. Quelle: LiveEO/Pleiades

Im peruanischen Regenwald boomen Trips mit der Modedroge Ayahuasca. Exklusive Satellitenaufnahmen zeigen, wie immer mehr Anbieter ein Zentrum eröffnen, um von dem Eventtourismus zu profitieren. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Für viele Touristen ist nicht nur ein Trip nach Peru, sondern vor allem ein Trip in Peru von besonderem Reiz. Mehr und mehr Reisende sind auf der Suche nach einem Rausch mit der im ganzen Land legalen Droge Ayahuasca. Fündig werden sie vor allem im peruanischen Iquitos, mitten im tropischen Regenwald. Dort schießen Ayahuasca-Touristenzentren wie Pilze aus dem Boden. Drei Tage, eine Woche, zehn Tage, die Angebote der echten Schamanen oder Amerikaner und Europäer, die hier eine vermeintlich übernatürliche Zusammenkunft mit der Natur und dem eigenen Sein verkaufen, sind vielfältig – und kosten mehrere Tausend US-Dollar.

Ayahuasca ist ein psychedelisch wirkender Aufguss aus Urwaldkräutern. Für die indigenen Völker in der Region ist dessen Genuss ein jahrhundertealtes Ritual. Studien aus den USA und Brasilien zufolge soll die Substanz Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen lindern. Netflix-Produktionen, die Ayahuasca als „das Molekül Gottes“ bezeichnen, haben den Hype um die Droge in den vergangen Jahren verstärkt. Aktuelle Satellitenbilder von LiveEO zeigen, wie in der Region um Iquitos immer mehr Anlaufstellen für Drogentourismus entstehen.

Früher mal ließen Geschäftsleute hier im Regenwald Latex ernten, der die weltweite Nachfrage nach Gummi bediente. Heute kommen die Kunden des neuen Geschäftsmodells selbst hierher und nehmen dafür einige Hindernisse auf sich. Eine Anreise mit dem Auto ist kaum möglich. Vier Flüsse umschließen die Stadt weiträumig, der größte: der Amazonas. Im Süden verbindet eine Straße Iquitos mit der 100 Kilometer entfernten Kleinstadt Nauta, im Norden gibt es eine Brücke über den Nanay. Doch wer von weiter weg kommt, benötigt eine Boot oder ein Flugzeug. Perus Hauptstadt Lima liegt knapp zwei Flugstunden entfernt.

Auch in Iquitos selbst gibt es Hütten und Häuser, in denen die Rituale durchgeführt werden. Oft sind sie nicht zu unterscheiden von gewöhnlichen Wohngebäuden. Außerhalb der Stadt aber heben sie sich ab vom dichten Grün des Regenwalds.

Von oben sieht das Hauptgebäude des Temple of the Way of Light tatsächlich aus wie ein großer Pilz. Das Gelände für die Rituale mit Ayahuasca, betrieben von einem Briten, gibt es bereits seit 2007. Gäste des Hauses sollen auf dem „Pfad des Lichts“ Heilung erfahren. Zwölf Tage lang übernachten die Gäste auf dem 300 Hektar großen Gelände, dass Platz für Essenssäle, Gästebungalows und Permakultur bietet. In dieser Zeit können die Touristen an sechs Ayahuasca-Zeremonien teilnehmen. 3900 US-Dollar kostet die Erfahrung.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Pleiades, LiveEO/SPOT

Auf ihren Internetseiten werben die Anbieter offensiv damit, auf regionalen Bräuche und das traditionelle Ayahuasca-Zeremoniell zu achten, großen Wert auf die Sicherheit und Gesundheit der Teilnehmer zu legen und lokale Schamanen und Helfer zu beschäftigen.

Die indigene Bevölkerung, so heißt es, sollen mit Jobs in der Tourismus-Branche von den vielen Ausländern in ihrer Heimat profitieren. Doch wie viel von dem Gewinn der Zentrenbetreiber wirklich vor Ort verbleibt, ist fraglich. Ein Reiseleiter sagte vor kurzem der Wochenzeitung „Die Zeit“, üblich seien 200 Soles pro behandeltem Kunden, das entspricht etwa 50 Euro.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Pleiades

Das Unternehmen Maniti Expeditions hat in Mazán Hütten gebaut, die im Einklang mit der Natur stehen sollen. Keine Klimaanlage, kein Internet und wenig Elektrizität – der totale Rückzug. Auf Wunsch wird auch hier ein Ayahuasca-Erlebnis geboten.

Eine Bootsstunde von Iquitos entfernt, direkt am Amazonasfluss, haben sich gleich zwei Anbieter nebeneinander angesiedelt: La Luna del Amazonas und das Selva Vida Lodge & Retreat Center. Zweiterer ist vor ein paar Jahren dazugekommen, wie man auf den Satellitenbildern gut erkennen kann. Der Mitbewerber liegt westlich in einem dichter bewaldeten Gebiet. Im Süden schlängelt sich der Nebenarm des Amazonas durch den Regenwald, über den die Touristen mit Booten ankommen.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Pleiades, LiveEO/SPOT

Genaue Daten darüber, wie viele Zentren es inzwischen gibt und wie viele Touristen für den Ayahuascakonsum nach Iquitos kommen, sind schwer zu bekommen. Sowohl das peruanische Tourismusministerium als auch nationale und regionale Behörden zur Förderung von Tourismus und Handel lassen Anfragen der WirtschaftsWoche unbeantwortet. Einem Bericht der „Zeit“ zufolge kamen 2022 rund 157.000 Ausländer nach Iquitos, etwa ein Fünftel davon auf der Suche nach Ayahuasca.

In den Broschüren der Tourismusbehörden findet Ayahuasca keine Erwähnung. Stattdessen lobt PromPerú, das Wirtschafts- und Handelsbüro des Landes, das Departamento Loreto, in dem Iquitos liegt, als das mit der größten Ethnien- und Sprachvielfalt. „Es ist ein wahres Paradies mit einer Artenvielfalt, die sich durch mehr als 1000 Tier- und 965 Wildpflanzenarten auszeichnet.“

Lesen Sie auch: Drogenkartelle in Peru – Hier verschwindet der Regenwald für deutsche Kokain-Konsumenten

Ayahuasca spielt für die Geschichte dieser Ethnien und Sprachen aber eine große Rolle. In einer spanischen Studie von 2021 heißt es, fehlende internationale Regulierung berge sowohl für die indigenen Gemeinschaften als auch für die ausländischen Touristen Gefahren. Indigene befürchten demnach eine Entweihung und kulturelle Aneignung ihrer Symbole, Zeremonien und Gesänge.

Andererseits hätten westliche Touristen „keine Garantien“, wie genau das Ayahuasca zusammengesetzt sei, schreiben die Studienautoren. Sie könnten schlecht informiert werden und an unqualifizierte oder unethische Anbieter geraten. Auch seien unerwünschte pharmakologische Wechselwirkungen nicht ausgeschlossen, die dem Konsumenten schaden könnten. Gleichzeitig kommt die Studie aber zu positiven Ergebnissen für die Gesundheit der Probanden, die an einer Ayahuasca-Behandlung teilnahmen. Die allermeisten berichteten von einem zufriedenstellenden Effekt auf ihr Wohlbefinden.


Das Lighthouse, einige Kilometer nördlich von der Maniti Eco-Lodge, ist eines der neuesten Ayahuasca-Zentren. Auf den Satellitenbildern ist zu erkennen, wie das Gelände erweitert wurde. Der längste Trip im Lighthouse geht drei Wochen. Die Preise des Temple of the Way of Light werden hier deutlich unterboten: Die 21 Tage kosten knapp 3000 Dollar – alles inklusive. Hier bedeutet das: Schlafen, essen, trinken und Ayahuasca.

Transparenzhinweis: Der Beitrag erschien erstmals am 4. Mai 2024 bei der WirtschaftsWoche. Wir zeigen ihn aufgrund des großen Leserinteresses erneut.

Hier finden Sie alle Beiträge aus der Rubrik „Wirtschaft von oben“

Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%