Hyimpulse Kommerzielle Rakete aus Deutschland meistert ersten Testflug

Start der Trägerrakete HyImpulse SR75 in Koonibba, Australien. Die Rakete startete um 14:40 Uhr Ortszeit (ACST) und wird mit Paraffin (Kerzenwachs) und flüssigem Sauerstoff angetrieben. Quelle: Hiimpulse/dpa

Mit einem erfolgreichen Testflug schießt sich das deutsche Start-up Hyimpulse in die Spitzengruppe der europäischen Raketenunternehmen. Warum die Gründer an den Satellitenboom glauben – und an die Kraft von Kerzenwachs.

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Bei fast wolkenlosem Himmel heißt es am Freitagnachmittag Ortszeit auf dem Koonibba-Raketentestgelände in Südaustralien: „Lift off!“ Dann wird es laut. Auf einem Feuerstrahl hebt sich die zwölf Meter hohe Rakete namens SR75 in die Luft und steigt in den Himmel auf. Zwar erreicht sie bei ihrem Erstflug noch nicht das All, sondern nur die Stratosphäre, bevor sie an einem Fallschirm wieder herabsinkt.

Bemerkenswert ist der Flug dennoch: Erstmals seit Jahrzehnten hat damit ein deutsches Raumfahrtunternehmen eine privat entwickelte Trägerrakete gestartet, nachdem Ende der 70er Jahre das Unternehmen Otrag zwei Testflüge auf bis zu zwölf Kilometer Höhe unternommen hatte. Am Freitagmorgen gegen 7:10 Uhr MESZ in Koonibba in Australien hob die Rakete ab, wie ein Sprecher des Unternehmens mitteilte. Hinter dem Testflug steckt die Firma Hyimpulse aus Neuenstadt am Kocher im Kreis Heilbronn. 

„Endlich hebt mal wieder eine Rakete aus Europa ab“, sagt Christian Schmierer, Mitgründer von Hyimpulse. „Wir senden damit ein wichtiges Signal an die europäische Raumfahrtszene.“ 

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Denn die ist aktuell gerade arg abhängig vom Unternehmen SpaceX aus den USA. Selbst die Europäische Weltraumorganisation Esa bucht ihre Flüge momentan bei dem Unternehmen von Elon Musk, weil die neue europäische Ariane-6-Rakete, die im Auftrag der Esa gebaut wird, sich um Jahre verspätet. Sonstige Wettbewerber gibt es auch in den USA keine, die Alternativen aus Russland und China fallen aus politischen Gründen aus. 

„SpaceX ist das Schiff, wir sind das Taxi“

Und wer bei Musk mitfliegen will, muss sich in die Warteschlange einreihen. „Kleinsatelliten-Anbieter sind im Krisenmodus“, sagt Schmierer, „weil es keine Startmöglichkeiten für sie gibt.“ Auch Raumfahrtbehörden seien zunehmend an neu entwickelten europäischen Raketen interessiert, um sich nicht zu sehr von Anbietern im Ausland abhängig zu machen. „Wer in Europa Starts ins All anbietet“, sagt Schmierer, „hat kein Problem, die Raketen voll zu bekommen.“ 

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Marktprognosen geben dem Gründer Rückenwind. 28.700 Satelliten werden laut dem Marktforscher Euroconsult in den nächsten zehn Jahren ins All geschossen, um etwa weltweit Datendienste bereitzustellen oder die Erde zu beobachten. Im Jahr 2032, so erwarten die Marktforscher, werden täglich vier Tonnen an Satelliten in eine Erdumlaufbahn transportiert.

Hyimpulse will mit seinen Raketen dabei sein, wenn der Markt abhebt. Einfach wird das nicht, denn weltweit gibt es zahlreiche Konkurrenten, die die Wettbewerbslücke neben SpaceX füllen wollen. Allein in Deutschland gibt es mit Isar Aerospace aus München und Rocket Factory Augsburg zwei ernsthafte Konkurrenten, die beide noch auf ihren ersten Raketenflug hinarbeiten. 

Platz könnte am Ende dennoch für alle drei sein: Schon jetzt seien die Orderbücher von Hyimpulse durch Satellitenbetreiber und Forschungsinstitute mit mehr als 100 Millionen Euro gefüllt, lassen die Gründer wissen. Bis zum Jahr 2032 soll der Jahresumsatz auf 700 Millionen Euro steigen.

Während SpaceX mit seinen großen Falcon-9-Raketen dutzende Satelliten auf einmal ins All hievt, soll die Orbitalrakete SL1 von Hyimpulse kleinere Nutzlasten von anfangs bis zu 600 Kilogramm in einen niedrigen Erdorbit von bis zu 500 Kilometern Höhe transportieren. Die kleinere SR75, die nun in Australien abgehoben ist, soll vor allem für wissenschaftliche Experimente in der Schwerelosigkeit zum Einsatz kommen. Dafür sollen die Raketen aus Deutschland schneller bereitstehen und individuellere Umlaufbahnen ansteuern als die von SpaceX. „Die SpaceX-Raketen sind Frachtschiffe“, sagt Schmierer, „wir sind das Taxi oder der Expressversand.“ 

Mit Kerzenzündstoff ins All

Dabei soll der Flug mit Hyimpulse aber gar nicht so viel teurer werden. Mit 6500 Euro Kosten pro Kilogramm Fracht rechnen die Gründer aktuell. SpaceX nennt auf seiner Webseite Kilogramm-Preise von 6000 Dollar, umgerechnet 5600 Euro, bei seinen so genannten Transporter-Missionen, bei denen zahlreiche Kleinsatelliten sich eine Rakete teilen. „Wir wollen fast in die Preiskategorie einer SpaceX-Mission kommen“, sagt Mitgründer Schmierer. 

Möglich machen soll das eine spezielle Antriebstechnologie. Statt auf Flüssigtreibstoffe setzen die Techniker von Hyimpulse auf festes Paraffin – den Hauptbestandteil von Kerzenwachs. „Wir haben in Australien also sozusagen das erste Mal unsere Kerze angezündet“, sagt Schmierer. Damit das Paraffin in der Rakete blitzschnell verbrennt und ordentlichen Schub bringt, führen ihm in der größeren Rakete SL1 Turbopumpen Flüssigsauerstoff hinzu.

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Schon seit dem Jahr 2012 arbeitet das Gründerteam an der neuen Antriebstechnologie, begonnen hat alles im Studium. Im Jahr 2016 stellten die Studenten einen Höhenweltrekord mit einer mit Paraffin betriebenen Rakete auf. Seit der Gründung im Jahr 2018 hat Hyimpulse dann nach und nach privates Kapital im zweistelligen Millionenbereich eingesammelt. 65 Mitarbeiter in Neuenstadt, München und Glasgow arbeiten inzwischen für das Raketenunternehmen. Die hybride Antriebstechnik aus festem Paraffin und Flüssigsauerstoff, die in den 30er Jahren erforscht worden und dann lange in Vergessenheit geraten ist, hat mehrere Vorteile. So ist das Paraffin preiswert, obendrein nicht giftig und leicht zu transportieren. „Unser Treibstoff kann nicht explodieren“, sagt Schmierer. „Das spart Kosten für Sicherheitsmaßnahmen.“ 

Im Schiffscontainer nach Australien

Die Reise der Rakete von Baden-Württemberg nach Australien etwa lief problemlos, obwohl das Paraffin schon in der Rakete war. „Wir haben die Rakete in Neuenstadt zusammengebaut, in einen Container verpackt und ganz normal verschifft.“ Nur die Angriffe der Huthi-Miliz auf Schiffe im Roten Meer sorgten für eine Verzögerung von mehr als zwei Wochen, weil das Containerschiff die längere Route um Südafrika nehmen musste. Der feste Brennstoff erlaubt auch eine kostengünstigere Bauweise als bei heute gängigen Antriebstechnologien. „Unsere Rakete hat nur eine Flüssigkeit an Bord“, sagt Schmierer, „das bedeutet weniger Leitungen, weniger Ventile, weniger Tanks.“ Und, dank einer besonderen Bauweise, auch weniger Turbopumpen, die besonders teuer sind. „Wir versorgen zwei Brennkammern mit einer Pumpe“, sagt Schmierer.

Insgesamt rechnet Hyimpulse mit 50 Prozent weniger Kosten für seine Rakete verglichen mit herkömmlichen Modellen, die Flüssigtreibstoff benötigen. Beim Flug ins All soll sie trotzdem starke Leistungswerte zeigen und zuverlässig sein. Der Flug in Australien hat nun schon einmal bewiesen, dass die Technologie funktioniert, und wichtige Daten geliefert.

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Doch die zwölf Meter hohe SL75-Rakete ist nur ein Vorläufer der geplanten Orbitalrakete, die 32 Meter hoch sein soll und statt 2,5 Tonnen satte 50 Tonnen wiegen soll. Sie muss ihren Erstflug noch absolvieren, Ende 2025 könnte es so weit sein. Für europäische Kunden könnte das auch die Anfahrtszeit deutlich verkürzen: Denn Hyimpulse hat sich einen Startplatz am neuen privaten Saxavord Spaceport gesichert – auf den Shetlandinseln in Schottland.

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