Union im Kellerduell:Köpenick bangt, Bochum feiert

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Unions Spieler taten sich schwer, dieses Spiel gegen Bochum zu verdauen, zu klar war man phasenweise unterlegen. (Foto: Andreas Gora/dpa)

Nach einer desaströsen ersten Halbzeit zeigt der 1. FC Union gegen den VfL Bochum eine unzureichende Reaktion - und verliert das Abstiegsduell mit 3:4. Die einzige Gewissheit lautet nun: Bochum kann nicht mehr direkt absteigen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der Anhang des 1. FC Union Berlin ist für seine Duldsamkeit bekannt. Es gibt im Grunde nichts, was er der Mannschaft nicht verzeihen würde. Am Sonntag aber riss nach gut einer halben Stunde der seit Jahren gezwirbelte Geduldsfaden: "Aufwachen, aufwachen, aufwachen!", riefen die Fans, die sich stets auf der Waldseite des Stadions einfinden, in einem beispiellosen Stakkato. Der Grund: Der VfL Bochum hatte ebenfalls ein beispielloses Stakkato hingelegt. Ein Tor-Stakkato. Und führte mit einem 3:0, das zur Halbzeit bestehen blieb. Union wachte tatsächlich noch auf, rebellierte gegen das Resultat. Doch am Ende reichte es nur zu einer 3:4-Niederlage, die zu einer einzigen Gewissheit gerann: Der VfL kann nicht mehr direkt absteigen. Union bleibt in einem Zustand der Angst.

Den größten individuellen Anteil am dramatischen und letztlich fatalen Rückstand im Abstiegsduell (Bochum und Union waren vor der Partie punktgleich) hatte Unions Linksverteidiger Robin Gosens. In einer Partie, die von Beginn an ein einziges Zweikampf-Festival war, ging er den sogenannten Eins-gegen-Eins-Situationen aus dem Weg.

Vor dem 0:1 ließ er Moritz Broschinski gewähren, dessen Hereingabe verwertete der gelernte Verteidiger Maximilian Wittek im Stile eines Mittelstürmers per Direktabnahme zur Führung (16. Minute). Vor dem 0:2 verlor er den Ball an Broschinski und erstarrte; diesmal traf Wittek, weil er nach einem Pass von Patrick Osterhage drei, vier Unioner mit zwei, drei Hüftwacklern im Strafraum aussteigen ließ (31.). Das dritte Tor wurde zwar über die linke Angriffsseite der Bochumer vorbereitet, Gosens war aber wieder im Fokus. Ehe Keven Schlotterbeck aus zentraler Position treffen konnte, war der Berliner Teilzeit-Nationalspieler ausgerutscht (37.). Gosens' nur noch karge Chancen, von Bundestrainer Julian Nagelsmann für die EM berücksichtigt zu werden, dürften weiter gesunken sein. Und es war kein Trost, dass Kapitän Rani Khedira die Mannschaft kollektiv in die Haftung nehmen durfte. Ihre Leistung sei "eine glatte Sechs" gewesen, sagte er.

Zur Halbzeit packte Union-Trainer Nenad Bjelica die Mannschaft, wie Khedira berichtete, "bei der Ehre". Er verwies auf die Statistik, die von 25 Prozent gewonnenen Zweikämpfen kündete. "So können wir gegen keinen Gegner gewinnen", habe er gesagt, berichtete Bjelica selbst. Er wechselte dreimal aus: Brenden Aaronson, Yorbe Vertessen und Chris Bedia kamen für Kevin Vogt, Lucas Tousart und Kevin Volland. Und siehe: Es stand plötzlich ein mutigeres Union auf dem Platz, das seinen Fußball suchte - und mitunter fand. Vertessen hielt in der 59. Minute aus 25 Metern drauf und traf; drei Minuten später stürzte die Alte Försterei in einen Fieberwahn.

Gegen Bochum stürzt die Alte Försterei in einen Fieberwahn

Bedia störte Ivan Ordets bei einem Kopfballduell, der Ball landete bei Andras Schäfer, und als der auf Bedia querpasste, war dieser so frei, dass es ihm ein Leichtes war, ins Tor zu treffen. Die Hoffnung auf den Ausgleich lag nahe, zumal der VfL sich in dieser Saison noch stets fragil gezeigt hatte. Bochum schlug durch Philipp Hofmann zurück - und erzielte das 2:4 (70.). Auch das wollte Union nicht als das letzte Wort hinnehmen, Benedikt Hoffmann traf zum 3:4 (74.) und brachte das Heimteam neuerlich heran. Aaronson hatte noch eine gute Kopfballchance in der Nachspielzeit. Doch für den Ausgleich reichte es in einem "richtig krassen Fußballspiel", wie es VfL-Trainer Heiko Butscher nannte, nicht mehr.

Das bedeutet, dass die Personaldebatte um Union-Trainer Bjelica weitergehen dürfte - auch wenn er nach dem Spiel unterstrich, dass die Lage "aussichtsloser war", als er im November das Amt von Urs Fischer übernommen hatte. Am 1. Mai hatte der Kicker berichtet, es sei beschlossen, dass Union und Bjelica ab Sommer "getrennte Wege" gehen würden. Vor der Partie dementierte Union-Präsident Dirk Zingler vehement - und attackierte das Magazin.

"Bjelica hat unsere volle Unterstützung. Deshalb berührt uns das nicht. Es ärgert uns ein bisschen, weil die Leser am Ende keine andere Chance haben, als das zu glauben, was da steht. Wenn das dann falsch ist, ist das schade für die Leser", sagte Zingler bei Dazn. Dem steht nicht entgegen, dass Union sich in den kommenden Tagen auch der Frage widmen dürfte, ob zwei Spieltage vor Schluss nicht doch noch ein Trainerwechsel vollzogen wird.

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