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ARD-Sonntagskrimi Der Berlin-»Tatort« im Schnellcheck

Little Vietnam in Lichtenberg: Die Untersuchungen zu einem sadistischen Verbrechen führen die »Tatort«-Ermittler in eine migrantische Parallelwelt im Osten Berlins, praller Pop-Soundtrack inklusive.
Karow (Mark Waschke) und Bonard (Corinna Harfouch): Willkommen in Klein-Vietnam

Karow (Mark Waschke) und Bonard (Corinna Harfouch): Willkommen in Klein-Vietnam

Foto: Gordon Muehle / rbb

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Das Szenario:

Horror Eigenheim. Ermittlungen in einem besonders grausamen Gewaltverbrechen in Berlin-Lichtenberg – Folterstube im Heizungskeller, Leiche im Vorgarten – führen Bonard (Corinna Harfouch) und Karow (Mark Waschke) in die vietnamesische Community der Stadt. Die Tierärztin Dr. Lê Müller (Mai-Phuong Kollath) weiß offenbar mehr, zeigt aber wenig Interesse, dieses Wissen mit der Polizei zu teilen. Sie war 1992 in dem sogenannten Sonnenblumenhaus  in Rostock-Lichtenhagen gefangen, das von Nazis mit Molotowcocktails in Brand gesteckt wurde. Seitdem fühlt sie sich verständlicherweise von deutschen Beamten nicht besonders beschützt.

Der Clou:

Little Vietnam in Lichtenberg. Dieser »Tatort« zeichnet nach, wie sich die als Vertragsarbeiter in die ehemalige DDR gekommenen Vietnamesen zwischen Baseballschlägerjahren, behördlicher Gängelung und Zigarettenschmuggel über die Runden brachten und ihre eigene Parallelwelt bauten. Eine Liebeserklärung an die Widerstandskraft der Community, vietnamesische Popsongs inklusive. Den Horror im Folterkeller hätte es gar nicht gebraucht. Dies ist nach der Doppelfolge vor einem Jahr der zweite Fall mit Harfouch als Bonard. Nach drei weiteren Folgen wird sie sich allerdings auch schon wieder vom Berliner TV-Revier verabschieden.

Szene auf TV-Revier: Horrorvideos als Berufsalltag

Szene auf TV-Revier: Horrorvideos als Berufsalltag

Foto: Britta Krehl / rbb

Das Bild:

Das Grauen in Karows Augen. In einer nächtlichen Sitzung arbeitet sich der Kommissar durch die VHS-Bänder, die der Sadist aus Lichtenberg von seinen Foltersessions aufgenommen hat. Wir sehen nur den Blick des Ermittlers und hören dazu ein Bohren, Sägen und Hämmern. »Weihnachten 1« steht auf dem Band, als ob es sich um ein Familienvideo handelt. Im Regal stehen noch etliche weitere »Weihnachtsfilme«.

Der Dialog:

Kommissarin Bonard stolpert aus dem Folterkeller des Einfamilienhauses und kollabiert im Garten. Karow folgt ihr. Über den Gartenzaun erkundigt sich unbeeindruckt die neugierige Nachbarin über den Stand der Ermittlungen.

Nachbarin: »Und, Frau Kommissarin? Sind Sie schon weiter? Fall gelöst? Wer war der Mörder? Oder war es eine Mörder...in?«

Bonard zittert auf dem Gras: »Verpiss dich!«

Karow: »Sie haben meine Kollegin verstanden. Sie sollen sich verpissen.«

Nachbarin: »Typisch Polizei! Sie stecken wohl immer noch in den Kinderschuhen in Sachen gewaltfreie Kommunikation, was?«

Der Song:

»Tốn nước bọt« von Tim Neuhaus feat. Judy Mai & Zui . Der auf Vietnamesisch gerappte Hip-Hop-Track läuft, während die Ermittler bei ihren Untersuchungen in ein vietnamesisches Paralleluniversum aus Nagelstudio, Klamottenlager, Arbeitsvermittlung und Street Kitchen in Berlin-Lichtenberg abtauchen. Gleich vier Stücke hat der Produzent, Musiker und Filmkomponist Tim Neuhaus, bekannt als Mitglied der Band Hundreds , mit der in Berlin lebenden deutsch-vietnamesischen Sängerin Judy Mai für diesen »Tatort« eingespielt. Furios!

Die Bewertung:

7 von 10 Punkten. Willkommen in Klein-Vietnam! Ohne den Schlenker in den deutschen Horrorkeller wäre dieses Drama aus der vietnamesischen Diaspora noch vielleicht noch stärker geworden.

Die Analyse:

Lesen Sie bitte hier weiter !

»Tatort: Am Tag der wandernden Seelen«, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste

Fotostrecke

Kommissar-Karussell: Alle »Tatort«-Teams im Überblick

Foto: Claudia Konerding / dpa