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Israel, Tel Aviv: Menschen protestieren. In anderen Staaten in Nahost dürften sie das nicht.

© dpa/Ariel Schalit

Arabische Staaten tragen nicht weniger Verantwortung als Israel: Der Nahe Osten muss demokratisch werden

Die Maßstäbe in der Region müssen einheitlich werden. Rechtsstaat, Meinungsfreiheit – Nahost braucht mehr. Braucht Veränderung. Im besten Sinn.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Warum beklagt eigentlich keiner, dass kein arabisches Land demokratisch ist? Warum gibt es nicht wenigstens hierzulande eine große Bewegung, die auf die Straße geht, um einzufordern, was von Israel ultimativ eingefordert wird: die Einhaltung demokratischer Standards?

Und mehr noch: Warum fordert keiner von den arabischen Staaten das Maß an humanitärer Unterstützung der Menschen in Gaza, das ihrer Haltung zu den Palästinensern entspräche? Weil für sie einer an diesem Mangel an Haltung Schuld ist, sein muss: Israel. Das Land, das allein durch sein Dasein auch seinen arabischen Nachbarn ein schlechtes Gewissen macht.

An Israel werden grundsätzlich andere Maßstäbe angelegt. Und das, obwohl es die einzige, mindestens die einzig funktionierende, Demokratie in Nahost ist.

Sage niemand, der Irak zum Beispiel sei ein demokratisches Land. Der hat gerade die Homosexualität mit schweren Strafen belegt. Aber keiner regt sich darüber auf. Niemand aus der Intelligenzija. Niemand steht zu den Queers. Erst recht kein arabischer Staat.

Vorsicht – Rassismusgefahr!

Es regt sich niemand auf, weil wir von den Arabern nichts anderes erwarten? Und von den Israelis alles? Das eine wäre Rassismus, das andere ein Doppelstandard. Das ist nach der Drei-D-Definition antisemitisch.

Zur geschichtlichen Orientierung: Der Konflikt um Palästina und die Gründung Israels 1948 hat nacheinander in Syrien, Ägypten und dem Irak Militärregime an die Macht gebracht. Die haben sich in unterschiedlicher Form bis heute gehalten. Die nationale Sicherheit wurde oberstes Ziel, so der Botschafter der Arabischen Liga bei den Vereinten Nationen, und das „oft auf Kosten der Demokratie“. Ein Zitat von 2003 der Bundeszentrale für politische Bildung, geändert hat sich im Wesentlichen – nichts.

Nicht zu vergessen: Das „Westjordanland“ war bis 1967 von Jordanien annektiert, Gaza ägyptisch verwaltet; es gab nie ein „Palästina in Grenzen von 1967“, wie es heute gefordert wird. Doch wen schert das schon? Jedenfalls keinen von den arabischen Machthabern. Sonst würden sie zumindest den palästinensischen Frauen und Kindern in Gaza helfen. Wenigstens einer.

Besonders fehlende Meinungsfreiheit verhindert eine Demokratisierung. In fast allen arabischen Staaten sind Presse, Fernsehen und Radio staatlicher Gängelung ausgesetzt. Kritik an den Machthabern ist nicht erwünscht.

So kommt ein dringend nötiger friedlicher Gedankenaustausch nicht zustande. Parteienpluralismus, Meinungsfreiheit und Parlamentswahlen, kurz: demokratischer Standard – alles das ist im arabischen Raum bestenfalls vorübergehend. Wenn das nicht beklagenswert ist.

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