Theo Pagliarucci veranstaltet seit 25 Jahren die Partyreihe Gaydelight im Wasenwirt-Zelt. Foto: LICHTGUT/Zophia Ewska

Eine Wasenparty für Schwule und Lesben? Vor 25 Jahren war’s ein Skandal. Heute ist Gaydelight ein Hit beim Publikum, bei dem das Personal mehr Trinkgeld bekommt als sonst. Veranstalter Theo Pagliarucci spricht über seinen langen Kampf für Diversität.

Es war die Zeit, als im Radio unentwegt ein Hit der Girls-Band No Angels lief: „I wanna be daylight in your eyes“. Theo Pagliarucci, ein Schausteller in der siebten Generation mit italienischen Vorfahren, dachte gerade darüber nach, wie er seine geplante Party für schwule Wasenbesucher nennen sollte. Von „Daylight“ kam er auf „Gaydelight“ – ein Name, der zur Marke geworden ist, den er schützen ließ.

Heute sagt der Vater eines Sohnes – auch der Junior, versteht sich, ist Schausteller –, den Namen würde er nicht noch mal nehmen. Denn die queere Community hat viele Buchstaben dazu bekommen, LBGTQI und noch ein Plus, sie lässt sich also nicht mehr auf „Gay“ reduzieren.

Das Personal freut sich: Bei keiner anderen Party gebe es so viel Trinkgeld

Am 9. Mai feiert der gebürtige Mannheimer mit der Vielfalt der Stadt – auch Heteros gehören längst zur „Familie“ dazu – beim Frühlingsfest das 25-jährige Bestehen der Partyreihe Gaydelight. Am Anfang war sie ein Skandal auf dem Wasen, heute aber ist sie eine feste Größe, auf die sich viele freuen.

Beim Wasenwirt freut sich das Personal, sagt der 55-Jährige, weil es bei keiner anderen Veranstaltung so viel Trinkgeld gibt wie von den Gästen der Rainbow-Gemeinde. Auch die Security sei happy, weil alles immer so friedlich verläuft.

Friedlich und harmonisch ging’s damals gar nicht zu, als der Patron Max-Rudi Weeber, der aus einer schwäbischen Schaustellerdynastie stammt und mit einer Mandelbrennerei zum Volksfest gekommen ist, Ende der 1990er Jahre zu einer Travestie-Show in sein Zelt eingeladen hat. Die Aufregung des städtischen, für das Volksfest verantwortlichen Marktamtes war groß. „Das ist ein Familienfest“ habe der Chef getobt, erinnert sich Theo Pagliarucci. Die Beschimpfungen seien so massiv geworden, bis der Wasenwirt-Chef eigenhändig die Ankündigung draußen am Zelt überklebte. Statt Travestie stand dort dann „Verwandlungskünstler“.

Die Idee zur schwul-lesbischen Wasenparty brachte Pagliarucci aus München mit. Dort hatte er den Gaysunday beim Bräurosl-Festzelt besucht, diese besondere Atmosphäre erlebt und dachte, diese wäre doch auch was für Bad Cannstatt. Mit dem Wasenwirt war der Schausteller mit dem italienischen Namen eng verbunden. Denn er war mit Andrea Weeber liiert, der Tochter des Patriarchen, die heute mit ihrem Bruder Fritz Weeber den Zeltbetrieb leitet (der weitere Bruder Armin Weeber führt den größten Imbiss Europas). Der Wasen ist oft ein Familiengeschäft.

Mit 16 oder 17 Jahren verliebt er sich in die Tochter des Wasenwirt-Chefs

Der damals dunkelblonde Pagliarucci stieß zur Familie dazu, als er sich „mit 16 oder 17 Jahren“ in die Tochter verliebte. Damals war ihm noch nicht klar, dass er eines Tages Männer lieben würde. Die beiden wurden Eltern eines Sohnes. Ans Heiraten dachten sie nicht. „Das war damals nicht so angesagt“, sagt er.

Auch wenn sich das Paar trennte und Pagliarucci zu dem schwulen Schauspieler André Eisermann („Schlafes Bruder“), ebenfalls einem Schaustellerkind, nach Hamburg zog, verstehen sich die Eltern des gemeinsamen Sohnes heute wieder sehr gut. Ob Wunden zurückgeblieben sind, können Außenstehende nicht erkennen – und es geht sie auch gar nichts an. Für einige Jahre jedenfalls hielt sich der heutige Gaydelight-Veranstalter dem Wasenwirt fern. Doch irgendwann rief Max-Rudi Weeber, der im Jahr 2015 verstorben ist, beim Vater seines Enkels an und fragte, ob er nicht als Veranstaltungsmacher bei ihm arbeiten könne.

Die Homosexualität von Pagliarucci habe beim Familienoberhaupt überhaupt keine Rolle gespielt. Dafür ist er ihm bis heute dankbar. Max-Rudi Weeber hat also den Weg geebnet dafür, was heute selbstverständlich ist. „Wir sind ein Volksfest“, sagt in.Stuttgart-Chef Andreas Kroll, „und deshalb ist hier ein Abbild der Gesellschaft.“ Alle Menschen werden dazu eingeladen, gemeinsam zu feiern – Toleranz und Diversität werden auf dem Wasen gelebt.

„Theo ist herzlich, hilfsbereit – und ein Kämpfer“

Der Dresscode beim Gaydelight hat sich in all den Jahren verändert. Mit schwarzer Bikermode und Jeans fing’s an, zu sehen waren dann auch Fetischoutfits aus Lack, Leder und Gummi – bis Dirndl und Lederhosen auch beim queeren Publikum im Wasenwirt geradezu explodierte. Leder spielte sowieso immer schon eine Rolle. Der Bärenclub hat diesmal die gesamte Empore für sich und für viel Leder reserviert. Die Macher des Stuttgarter CSD unterstützen seit Jahren die Wasenparty. Sprecher Detlef Raasch wird auf der Bühne reden mit Wirtin Laura Halding-Hoppenheit.

In all den Jahren hat Pagliarucci, der heute als selbstständiger Eventmananager arbeitet und „überzeugter Single“ ist, immer versucht, jüngere Besucher zu locken, etwa, in dem er schwule Influencer engagierte. Der gebürtige Mannheimer freut sich, dass er immer wieder von Paaren angesprochen wird, die sagen, sie hätten sich bei Gaydelight kennen gelernt, wo es auch schon Heiratsanträge auf der Bühne gab. Er selbst war für einige Jahren auf den Weltmeeren unterwegs, wo er als Hotelmanager auf Kreuzfahrtschiffe arbeitete. „Dann hab ich die Gäste auf dem Wasen über Video gegrüßt“, erzählt er.

Clublegende Laura Halding-Hoppenheit, die man „Schwulenmutti“ nannte, kennt ihn seit etwa 30 Jahren. „Theo ist im KC immer ein Sonnenschein gewesen, und er ist es auch noch heute“, sagt sie, „er ist herzlich, hilfsbereit, ein bisschen zurückhaltend – auf ihn kann man sich immer hundertprozentig verlassen.“ Froh ist die Stadträtin mit den feuerroten Haaren, dass es „Kämpfer wie Theo gibt“. Er habe mit seiner Beharrlichkeit für Akzeptanz auch auf dem Wasen dazu beigetragen, „dass die Rainbow-Community mitten in der Gesellschaft angekommen ist“.

Es gibt also viele Gründe, den 25. Geburtstag zu feiern. Mit dem „Daylight in your Eyes“ fing alles an. Übersetzt heißt es in dem Lied von No Angels: „Ich will Tageslicht in deinen Augen sein: Ich will Liebe sein, nur noch stärker.“ Auch nach 25 Jahren Gaydelight wird im Zelt viel Liebe sein – und sie wird vielleicht sogar noch stärker.

Es gibt noch Karten

Gaydelight
feiert am Donnerstag, 9. Mai, das 25-jährige Bestehen beim Wasenwirt auf dem Stuttgarter Frühlingsfest. Einlass ist um 17 Uhr. Es gibt noch Karten für 20 Euro an der Abendkasse (der Eintritt ist frei, für den Betrag gibt es einen Verzehrgutschein). Frl. Wommy Wonder und Alexander „Sandy“ Franke moderieren. Es spielt die Live-Band Die Grafenberger, als Special Guest tritt die Band Soundwich auf, zu der Lisa Lu gehört, die beim Gesangswettbewerb Goldkehlchen gewonnen hat. DJ Patrick von DasDing legt „eine schöne Mischung aus Wasenhits und moderner Musik zum Tanzen“ auf.