Sparkonzept in der Stadtverwaltung:München plant weniger, dafür größere Bürgerbüros

Lesezeit: 3 min

Das Online-Terminvergabeverfahren im Münchner Kreisverwaltungsreferat soll Wartezeiten verkürzen helfen. (Foto: Stephan Rumpf)

Das städtische Kreisverwaltungsreferat muss sparen. Die Behörde setzt auf leistungsfähigere, große Dienststellen und zunehmend mehr digitalisierte Angebote.

Von Ellen Draxel

Die Stadt plant eine größere Umorganisation ihrer Bürgerbüros. Schon mehrfach hatte die Zukunft des Hauses an der Leonrodstraße 21 auf der Kippe gestanden, jetzt soll endgültig Schluss sein mit Münchens kleinster Anlaufstelle zur Beantragung von Ausweisdokumenten oder Autozulassungen - und nicht nur das: Auch weitere Standorte in Moosach und Neuperlach sind nun endgültig vom Tisch.

Kreisverwaltungsreferentin Hanna Sammüller-Gradl will den Neuhauser Standort "nach der erfolgten Erweiterung des Bürgerbüros Pasing" aufgeben. Mitte Mai, kündigt die Behörden-Chefin in einem Schreiben an den Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg an, wolle man dies dem Stadtrat zur Entscheidung vorlegen.

"Aus Sicht des Kreisverwaltungsreferates ist es zielführend, der Münchner Bevölkerung große und leistungsfähige Dienststellen an verkehrsgünstig gelegenen Standorten anzubieten", erklärt Sammüller-Gradl. Wer seinen Pass verlängern oder sein Auto abmelden will, soll demnach künftig die Bürgerbüro-Zentrale an der Ruppertstraße aufsuchen können - oder Zweigstellen im Pasinger Rathaus, in einem Neubau am Scheidplatz von Ende 2024 an und an einem noch vom Kommunalreferat zu findenden Standort im Stadtbezirk Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln. Die für den Münchner Süden zunächst geplante Erweiterung des Bürgerbüros an der Forstenrieder Allee ist "aufgrund einer unerwarteten, massiven Kostensteigerung" ebenfalls vom Tisch. Derzeit gibt es sechs Anlaufstellen - was mit der Riesenfeldstraße in Milbertshofen und dem Büro am Orleansplatz geschieht, dazu will sich die Behörde noch nicht äußern.

Sammüller-Gradl begründet ihre Standort-Strategie mit Haushaltsvorgaben und einem zunehmenden Online-Angebot. Nicht nur, dass sämtliche Dienststellen 15 Prozent ihrer Arbeitsplätze einsparen und ihre Ausgaben für die Anmietung und Bewirtschaftung von Verwaltungsgebäuden um mindestens 20 Prozent mindern müssten. Durch Fortschritte bei der Digitalisierung und der Einführung einer flächendeckenden Terminvereinbarung hätten sich auch die Rahmenbedingungen geändert.

Das Bürgerbüro am Orleansplatz hatte immer wieder Anstürme zu bewältigen. (Foto: Stephan Rumpf)

"Seit Beginn der Corona-Pandemie wurden vermehrt Online-Dienste angeboten, die seitens der Bürgerinnen und Bürger sehr gut angenommen werden." 43 solcher Dienste bietet die Behörde inzwischen an, dazu 26 Kontaktformulare - Tendenz steigend. Wer sie nutzt, kann sich den Behördengang sparen, sofern nicht Identitätsprüfungen oder das Unterschreiben von Dokumenten an Ort und Stelle nötig sind. Rund 90 000 Besuche in Bürgerbüros, schätzt die Verwaltung, lassen sich so mittelfristig einsparen. Die Terminvergaben helfen zudem lange Wartezeiten vermeiden.

Große Bürgerbüro-Einheiten, argumentiert die Referentin, reduzierten Raum- und Personalkosten, Personalausfälle ließen sich kurzfristig besser abfedern. Allein mit der Aufgabe des Standorts Leonrodstraße werde sich "eine jährliche Ersparnis von rund 165 000 Euro ergeben".

Einen kompletten Wegfall will man im Viertel nicht akzeptieren

Ein Hauptgrund für die Schließung der Neuhauser Anlaufstelle sind jedoch auch die Platzverhältnisse. Das Bürgerbüro an der Leonrodstraße ist so beengt, dass Besucher mit Kinderwagen nicht an sitzenden Wartenden vorbeikommen. Auch Barrierefreiheit ist nicht überall gegeben. Und vertrauliche Gespräche zu führen, stellt laut der Behörde "eine große Herausforderung" dar. Der Fachdienst für Arbeitssicherheit bemängelt schon seit Jahren die nicht eingehaltenen Arbeitsstättenrichtlinien.

Im Viertel weiß man um diese Defizite. Der Bezirksausschuss, der eine Schließung der Außenstelle in Neuhausen bisher verhindern konnte, akzeptiert zwar einen "vorübergehenden Wegfall" des Bürgerbüros, fordert aber langfristig einen Alternativstandort. Allein in Neuhausen-Nymphenburg wohnen mehr als 100 000 Menschen, die "eine bürgerfreundliche Verwaltung" brauchten, sagt Rudolf Stummvoll. Der Stadtteilpolitiker hat lange das Amt für Wohnen und Migration im Sozialreferat geleitet, er glaubt "nicht, dass eine Zentralisierung langfristig trägt". In relativer Nähe gibt es unter Umständen demnächst Optionen an der Landshuter Allee 48 auf einem Areal der Stadtwerke.

Enttäuschung auch in Neuperlach, wo nach mehr als 50 Jahren auf dem Hanns-Seidel-Platz endlich ein Kultur- und Bürgerhaus entstehen soll - nur ohne Bürgerbüro. "Für uns stellt sich jetzt die Frage, was kommt stattdessen? Zieht sich die Stadt nun vom Platz zurück?" Das Bürgerbüro, betont der Chef des Bezirksausschusses Ramersdorf-Perlach, Thomas Kauer (CSU), wäre ja auch als Ankermieter wichtig gewesen. Sein Vorschlag: eine zweite Führerscheinstelle in München zusätzlich zur bestehenden an der Eichstätter Straße in dem neuen Komplex eröffnen.

Hinweis der Redaktion: Die diskutierte Neuhauser Standortalternative auf dem Areal der Stadtwerke befindet sich an der Landshuter Allee 48. In einer ersten Fassung des Textes war von zwei Grundstücken die Rede gewesen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusGründer in München
:Vom Mediziner zum Investor

Der Radiologe Reinhard Meier kümmert sich nicht mehr um Patienten, sondern um Start-ups, die das Gesundheitswesen digitaler und besser machen wollen - mit 3-D-Visualisierungen oder einer Buchungsplattform für Arzttermine.

Von Nicole Graner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: