Basketball:Zwischen Konfettiregen und Vernunft

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Am Ende harter Kämpfe unter dem Korb haben Sophie Perner (rechts) und der TSV Wasserburg gegen Bad Homburg den sportlichen Aufstieg geschafft. (Foto: Andreas Liebmann)

Zwei Jahre nach dem Abstieg hat sich der TSV Wasserburg für eine Rückkehr in die erste Basketball-Bundesliga der Frauen qualifiziert. Ob sich der ehemalige Serienmeister diesen Schritt aber leisten kann, ist fraglich.

Von Andreas Liebmann

Da war es wieder, dieses heikle Wort, mittendrin in der größten Emotion. Sophie Perner hatte sich aus ein paar Umarmungen gelöst für ihr kurzes Statement, sie stand nun zwischen Pfützen, die die Bierduschen ihrer Mitspielerinnen überall in der Halle hinterlassen hatten, dazwischen noch Reste von Goldkonfetti. "Unglaublich" fand sie es, dass ihre Wasserburger Basketballerinnen soeben diese knappe Halbfinalserie gewonnen hatten in den Zweitliga-Playoffs. Perner schwärmte davon, wie sie über "viele Ups and Downs" als Team immer zusammengeblieben seien. Und dann sagte sie: "Wir haben die letzten Monate so hart an uns gearbeitet - und jetzt stehen wir im Finale und sind aufgestiegen!"

Ihr Trainer Luis Prantl hatte das vor der Partie auch schon so gesagt: Wie "cool" das doch wäre, mit dem Finaleinzug gegen die Falcons Bad Homburg "den Erstliga-Aufstieg zu fixieren".

Dann war die Halle krachend voll am Sonntag: Das erfolgsverwöhnte Publikum ist dem Verein selbst in der zweiten Liga treu geblieben. 20 nationale Titel in weniger als 20 Jahren haben sie hier schon gefeiert, ehe es bergab ging, elf Meisterschaften und neun Pokalsiege. Und noch während die Spielerinnen sich vom Gejohle der Fans zum finalen 75:61 (48:35)-Sieg treiben ließen, raunte Jakob Schedel, einer der neuen Abteilungsleiter, im Vorbeigehen am Spielfeldrand mit einem Augenzwinkern: "Das wird ein teures Spiel heute, so oder so."

Der Trainer ist erst 23 und Enkel des Abteilungsgründers

Denn der sportliche Aufstieg stand zwar bald darauf fest, doch es ist längst nicht gesichert, dass der TSV Wasserburg sein Aufstiegsrecht auch wahrnehmen kann. Die neue Spartenleiterin Sarah Bartholdt und ihr Vize Schedel versuchen seit Wochen, das im Hintergrund irgendwie möglich zu machen, die Probleme liegen aber auf der Hand: Aus finanzieller Not heraus waren die Wasserburgerinnen vor zwei Jahren abgestiegen, nachdem ihr letzter Großsponsor sich zurückgezogen und die damalige Leitung Schulden angehäuft hatte.

Ohne einen neuen, großen Geldgeber, der sich langfristig bindet, würde man die Rückkehr ins Oberhaus nicht hinbekommen, das hat die Abteilung schon vor dem Halbfinale klargestellt. Zumal die Anforderungen an Erstligisten stetig wachsen, mit jährlich neuen Auflagen, mit der die Damenbasketball-Bundesliga (DBBL) ihr eklatantes Professionalisierungsdefizit aufholen will. All das, sagte Perner, werde in den kommenden Tagen entschieden, da wird es dann um Vernunft und um Weitsicht gehen. Am Sonntag war dafür erst einmal kein Platz.

Der Moment des Triumphs: Maria Perner, 18, bejubelt den Halbfinalsieg. (Foto: Andreas Liebmann)

Da nämlich spielten sich Szenen ab wie zum Ende des dritten Viertels: Binnen weniger Augenblicke war erst Maria Perner im Ringkampf um den Ball zu Boden gekracht und mit schmerzverzerrtem Gesicht liegengeblieben, dann auch ihre ältere Schwester Sophie. Das Spiel aber hetzte weiter, der Gegenzug lief, die Perners hetzten hinterher - und noch während die Fans überprüften, ob die beiden überhaupt wieder rund liefen, da fing Maria den Ball an der Dreierlinie, zielte und traf, zum 64:45.

Für sie "als Local" sei der Erfolg kaum in Worte zu fassen, sagte Sophie Perner danach, "ich bin mit der Mannschaft abgestiegen". Vor zwei Jahren war das. Und mehr noch: Im Jahr darauf wäre das verunsicherte Team um ein Haar bis in die Regionalliga durchgerauscht, musste sich von Trainerin Rebecca Thoresen trennen, auch unter Interimsnachfolger Bastian Wernthaler, dem ehemaligen Meistertrainer, dauerte das Zittern bis zum Schluss. Und nun das.

Maria Perner ist gerade mal 18 geworden, und sie führt nicht erst seit diesem Jahr Regie. Ihre Schwester ist 23, beide spielten gegen Bad Homburg fast vollständig durch, jeweils etwa 38 Minuten. Länger noch als die zweieinhalb Profis im Team, wie Danielle Shafer, die mit 20 Punkten Topscorerin war. Auch der Trainer Luis Prantl ist erst 23, er und Sophie kennen sich schon ewig. Einen solchen Erfolg hat auch dem jungen Coach kaum jemand zugetraut. Prantl ist der Enkel des Abteilungsgründers. Als Wasserburg zuletzt in die erste Liga aufstieg, 1999, da waren er und die Perner-Schwestern noch gar nicht auf der Welt. Wer wollte bei solchen Geschichten im Goldkonfetti-Regen schon vernünftig sein?

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Genau das ist aber jetzt die Aufgabe der Abteilungsleiter. Im Frühjahr erst hat das neue Duo Johanna Retzlaff abgelöst, die die Sparte in ihrer kurzen Amtszeit konsolidiert hat und vor ihrem Rückzug die Einschätzung hinterließ, dass es vermutlich klüger wäre, noch etwas länger an den Strukturen zu arbeiten, ehe man die Rückkehr wagt.

Ihre Nachfolger kämpfen, sie rechnen, reden mit Sponsoren. Wollen die vielleicht einmalige Chance keinesfalls leichtfertig hergeben. Überlegen, was es bedeuten würde, wenn man vier, fünf neue Spielerinnen bräuchte, und wer den ungleich höheren Trainingsaufwand überhaupt mitgehen könne. "Mal schlägt das Pendel in die eine, mal in die andere Richtung", sagt Sarah Bartholdt, aber der große, entscheidende Sponsor ist noch nicht gefunden. "Es fehlt ja keine Kleinigkeit, sondern ein sechsstelliger Betrag", erklärt sie, und es würde auch nicht reichen, wenn einmalig eine solche Summe konfettigleich auf sie herabregnen würde. "Dann stehen wir im nächsten Jahr ja vor demselben Problem." Wenn, dann wollen sie aufsteigen, um zu bleiben.

Die Entscheidung müssen sie sehr bald treffen, sie wollen auch zeitnah mit der Mannschaft sprechen. Den Spielerinnen hätten sie ihre Bedenken stets mitgeteilt. Die Hoffnung ist noch immer da, aber mehr deutet darauf hin, dass das Wagnis einer Rückkehr in die erste Liga zu groß sein könnte. Für diesen Fall, sagt Bartholdt, wäre ein neuer Anlauf natürlich alles andere als ausgeschlossen.

An diesem Samstag (16 Uhr) findet das Finale um die Zweitliga-Meisterschaft statt, bei den Hurricanes in Rotenburg. Ein guter Tag, um noch mal so richtig unvernünftig zu sein.

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